Wie erstelle ich eine Nutzen- und Bedarfsanalyse für eine Weiterbildung?

Hallo an alle Berufs- und Weiterbildungspädagogen. Im Themenfeld: „Begleitung in der Aus- und Weiterbildung“ gehen wir heute der Frage auf den Grund: Wie erstelle ich eine Nutzen- und Bedarfsanalyse für eine Weiterbildung?

Nutzen- und Bedarfsanalyse Weiterbildung

Ist eine Weiterbildung die Lösung des Problems?

Silke: Was das Thema: „Weiterbildung“ angeht ist lebenslanges Lernen in vielen Unternehmen Programm und gehört für die meisten Beschäftigten zur Normalität.

Marcel: Sich stetig weiterzuentwickeln ist aber nicht unbedingt jedermanns Sache. Das gilt für so manch einen Angestellten und für das ein oder andere Unternehmen.

Silke: Wie meinst du das?

Marcel: Eigentlich ist Wissen eine Bedingung für Wachstum und schafft Wettbewerbsvorteile für Unternehmen. Allerdings gibt es da ein Problem.

Silke: Ach ja, welches denn?

Marcel: Nun ja, einige Unternehmen denken oft kurzfristig und blenden dabei langfristige Kosten und Risiken aus. Geht es ihnen wirtschaftlich schlecht, sparen sie bei den Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung. Sind die Auftragsbücher voll, fehlt den Mitarbeitenden die notwendige Zeit für eine Weiterbildung.

Katharina: Ja, das kommt mir bekannt vor. Weiterbildung ist nicht immer das Mittel der Wahl, wenn es im Unternehmen Probleme mit Mitarbeitenden gibt – auch wenn manche Führungskräfte dies meinen.

Silke: Kannst du dazu mal ein Beispiel geben?

Katharina: Zum Beispiel fünf Mitarbeiter der gleichen Abteilung schaffen seit einigen Monaten ihr Arbeitspensum in der vorgegebenen Zeit nicht mehr. Sie klagen über Stress und Überforderung. Zwei Mitarbeiter scheinen kurz vor einem Burnout zu stehen. Die Führungskraft verordnet allen Mitarbeitern ein Seminar für Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, obwohl die eigentlichen Ursachen des Problems im Arbeitsumfeld zu suchen sind.

Silke: Stimmt, dieses Problem kann dann auch keine Weiterbildung lösen.

Marcel: Das meinte ich auch vorhin mit Problemen bezüglich der Weiterbildung in Unternehmen. In der Praxis buchen Personalverantwortliche oft vorschnell ein Seminar, statt dem eigentlichen Problem nachzugehen und es zu lösen.

Katharina: Genau, denn wer als Führungskraft seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ein Seminar schickt, erscheint sogar als kompetent, weil er damit offensichtlich auf ein bestehendes Problem reagiert. Die Mitarbeitenden trauen sich dann oft nicht, die Fördermaßnahme abzulehnen.

Andreas: Ja, denn viele Führungskräfte scheuen sich davor, den Wunsch des Mitarbeiters nach einer Weiterbildungsmaßnahme abzulehnen. Wenn die Initiative für eine Weiterbildung vom Mitarbeiter ausgeht, heißen das viele Führungskräfte willkommen. Denn diese Mitarbeiter gelten als besonders engagiert und sollen nicht demotiviert werden. Am Ende wird nicht geprüft, ob die Maßnahme wirklich nötig ist.

 

Die Durchführung einer Bedarfsanalyse für eine Weiterbildungsmaßnahme

Silke: Und wie kann man dieses Problem lösen?

Marcel: Grundsätzlich sollten Führungskräfte oder Personalentwickler eine Bedarfsanalyse durchführen, bevor sie einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine Weiterbildungsmaßnahme empfehlen oder genehmigen.

Andreas: Genauso ist es. Dabei helfen zum Beispiel folgende vier Fragen:

 

Vier beispielhafte Fragen

Welche Kompetenzen haben die Mitarbeitenden bereits? (Ist-Zustand)
Welche Kompetenzen sollen sie erwerben – und warum? (Soll-Zustand)

Welche Mitarbeitenden müssen ihre Kompetenzen verbessern, um in Zukunft Gestaltungs- und Handlungsspielräume für das Unternehmen zu eröffnen?

Welche Entwicklungs- und Karriereplanung streben die Mitarbeitenden an?

Katharina: Du meinst also, dass man erst mal eine Bedarfsermittlung, zum Beispiel mittels einer Potenzialanalyse, durchführen sollte.

 

Bedarfsermittlung anhand einer Potenzialanalyse

Andreas: Ja, genau. Als erstes würde ich hier interne Anforderungsprofile festlegen, worin ich genau die Anforderungskriterien an die zukünftige Aufgabenstellung festlege. Also, welche Fachkompetenzen und welche Schlüsselqualifikationen muss der betreffende Mitarbeiter mitbringen, um diese Aufgabe zu meistern?

Marcel: Das hört sich nach einem Plan an, ein sogenanntes SOLL-Profil zu erstellen. Doch wie kommen wir jetzt an das IST-Profil?

Andreas: Wir sammeln am besten erst mal die Informationen, die in der Personalakte des jeweiligen Mitarbeiters hinterlegt sind. Das sind zum Beispiel Bewerberunterlagen, Qualifikationsnachweise oder Auswertungen aus vorangegangenen Beurteilungen.

Silke: Dann brauchen wir ja nur noch das Anforderungsprofil mit dem erstellten Qualifikationsprofil vergleichen. Und schon haben wir eine eventuelle Abweichung.

Marcel: Genau und aus dieser Abweichung ergibt sich dann der Qualifizierungsbedarf der Fachkraft.

Katharina: Gut, gut. Jetzt haben wir besprochen, wie eine Bedarfsanalyse für eine Weiterbildung ermittelt wird. Was aber ist mit der Nutzenanalyse für eine Weiterbildung?

 

Was ist mit der Nutzenanalyse für eine Weiterbildung?

Andreas: Hier kommt wieder das qualitative und quantitative Bildungscontrolling ins Spiel.

 

Das qualitative und quantitative Bildungscontrolling

Silke: Hätte ich fast vergessen. Beim qualitativen Bildungscontrolling geht es um die Transfersicherung und die Qualitätssicherung. Das bedeutet bei der Transfersicherung geht es um eine Anwendungskontrolle, den Transfer in die Praxis also. Dabei geht es um den Ertrag, den Umsatz oder den Gewinn pro Mitarbeiter nach einer Bildungsmaßnahme.

Katharina: Und, bei der Qualitätssicherung?

 

Die Qualitätssicherung

Silke: Da geht es um eine Lernerfolgskontrolle am Ende einer Bildungsmaßnahme. Die Frage lautet hier: Wurden die Lernziele erreicht? Um das herauszufinden, nutzt man Befragungen, Tests oder Prüfungen.

Marcel: Und wie war das nochmal mit dem quantitativem Bildungscontrolling?

 

Quantitatives Bildungscontrolling

Andreas: Beim quantitativen Bildungscontrolling geht es um eine Kosten- und Risikobewertung. Hier haben wir einmal die Ressourcenbindung, die Risikoübernahme und die Risikominimierung.

Marcel: Zur Ressourcenbindung würde ich jetzt aber gerne mal genaueres erfahren.

Andreas: Bei der Ressourcenbindung erfolgt ja eine monetäre Bewertung einer Weiterbildungsmaßnahme. Aus Unternehmenssicht müssen Personalverantwortliche entscheiden, ob die Kosten einer Maßnahme im Vergleich zum erwarteten Lernerfolg angemessen sind und ob dieser Lernerfolg einen Wertschöpfungsbeitrag für das Unternehmen leistet.

Katharina: Gibt es da nicht vorgegebene Budgets für Weiterbildungsmaßnahmen?

Andreas: Ja, die gibt es. Allerdings muss geprüft werden, ob, wann und in welchem Umfang eine Maßnahme das definierte Budget belastet. Neben den reinen Kosten für die Räumlichkeiten, Trainer und Dozenten geht es hier auch um Kosten, die zum Beispiel durch ausgefallene Arbeitszeit oder durch die Kosten für die Betreuung der Maßnahme entstehen.

Katharina: Und worum geht es bei der Risikoübernahme?

 

Worum geht es bei der Risikoübernahme?

Andreas: Um die Frage der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber. Denn, der Arbeitgeber trägt das Risiko, dass Mitarbeiter nach der Beendigung einer von ihm finanzierten Weiterbildungsmaßnahme das Unternehmen kurzfristig verlassen.

Silke: Aber, gibt es da nicht sogenannte Bindungsklauseln.

Andreas: Eine Bindungsklausel ist leider rechtlich nicht hundertprozentig sicher, wird aber trotzdem von vielen Arbeitgebern angewendet.

Marcel: Was besagt denn eigentlich eine Bindungsklausel?

 

Was besagt denn eigentlich eine Bindungsklausel?

Andreas: Eine Bindungsklausel verpflichtet den Arbeitnehmer, im Anschluss an eine arbeitgeberfinanzierte Maßnahme für einen vertraglich fixierten Zeitraum im Unternehmen zu bleiben.

Marcel: Ah, verstehe. Da kann ich mir vorstellen, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen versuchen das Risiko auf null zu senken, indem sie die Kosten ausschließlich auf die Mitarbeiter abwälzen.

Andreas: Befragt man Mitarbeiter in Exit Gesprächen zu ihren Kündigungsgründen, führen diese häufig nicht angebotene oder nicht finanzierte Weiterbildungsmaßnahmen an.

Silke: O. K. Was ist denn jetzt mit der Risikominimierung gemeint?

 

Was ist denn mit der Risikominimierung gemeint?

Andreas: Dabei geht es um die Kostenteilung. Und das beinhaltet, wie gerade besprochen, die Bindungsklausel oder aber ein Studienkredit oder sogar Bildungsfonds im Unternehmen.

Silke: Ah, das hört sich nach einer fairen Lösung an, denn die meisten Fortbildungen, wie zum Beispiel, ein Meisterabschluss ist ja nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell aufwendig.

Marcel: Jetzt haben wir beleuchtet, welche Bestandteile das qualitative und quantitative Bildungscontrolling beinhaltet. Ist damit die Frage nach der Nutzenanalyse für eine Weiterbildung beantwortet?

Andreas: Zum Teil. Es gibt noch ein kleines Problem.

Katharina: Welches denn?

Andreas: Und zwar die Wirkung einzelner Maßnahmen, nachweisbar zu machen.

 

Wie kann man die Wirkung einzelner Maßnahmen nachweisbar  machen?

Silke: Ja genau, produziert ein Mitarbeiter, zum Beispiel, nach einer Unterweisung an einer neuen Maschine zehn Stück mehr, lässt sich der Nutzen für das Unternehmen noch relativ gut quantifizieren. Schwieriger wird es jedoch, zum Beispiel, den Erfolg eines Konflikttrainings zu quantifizieren. Erst recht, wenn aktuell keine Konflikte auftreten.

Andreas: Deshalb wird in vielen Unternehmen versucht, Bildung in einzelne betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu kategorisieren.

Marcel: Und um welche Art Kennzahlen handelt es sich hier?

 

Welche Kennzahlen kommen ins Spiel?

Andreas: Hier werden Werte erfasst, die in erster Linie aus dem Leistungserstellungsprozess stammen, wie zum Beispiel: Die Produktivität, der Umsatz pro Mitarbeiter, die Verringerung der Ausschussquote oder der Reklamationen.

Katharina: Und, werden diese Kennzahlen vor oder nach einer Weiterbildungsmaßnahme erhoben?

Silke: Macht es nicht Sinn, zur besseren Vergleichbarkeit, dass diese Kennzahlen vor und nach der Maßnahme erhoben werden?

Andreas: Genauso ist es, denn aus den Ergebnissen wird versucht, auf den Erfolg einer Maßnahme zu schließen. Und die Aufgabe der Nutzenanalyse ist es, mithilfe betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Vergleiche, Auskünfte über den Erfolg der Weiterbildung zu geben.

Katharina: Und, welche Kennzahlen kämen für den Kosten-Nutzen-Vergleich infrage?

 

Welche Kennzahlen kämen für den Kosten-Nutzen-Vergleich infrage?

Andreas: Zum Beispiel die Anzahl der durchgeführten Maßnahmen, die Anzahl der Seminartage pro Mitarbeiter, die Anzahl der durchschnittlichen Bildungskosten pro Tag je Mitarbeiter, durchschnittliche Honorare für externe Trainer und Dozenten, durchschnittliche Kosten für internes Aus- und Weiterbildungspersonal und Kosten der ausgefallenen Arbeitszeit.

 

Welche Kritikpunkte gibt es?

Marcel: Dazu muss man aber kritisch sagen, was bringt es zum Beispiel, wenn die Anzahl der Seminartage pro Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, die Mitarbeiter aber gar nicht in der Lage sind, in der verkürzten Zeit das von ihnen verlangte Wissen aufzunehmen und dadurch der Transfer in die Praxis misslingt?

Silke: Genau, und was nützt es, wenn die Kosten für externe Trainer im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind, weil sie zum Beispiel durch einen internen Trainer ersetzt wurden, sich aber herausstellt, dass dieser interne Trainer nicht über die pädagogischen Fähigkeiten verfügt, Wissen zu vermitteln.

Andreas: Das sind sehr wertvolle Hinweise, deshalb erhalten ja Weiterbildungsmaßnahmen erst dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn sich der in ihnen vermittelte Kompetenzzuwachs in der Arbeitsleistung widerspiegelt, also ein Transfer vom Lernfeld in das Arbeitsfeld stattgefunden hat.

Marcel: Jetzt brauch ich erstmal eine Pause, um das Ganze zu verdauen.

 

Video: Wie erstelle ich eine Nutzen- und Bedarfsanalyse für eine Weiterbildung?

 

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