Wenn mein Azubi rumzickt. Widerstand?

Widerstand des Azubis im Ausbildungsalltag. Was ist, wenn der Azubi bei jedem Wort was Sie sagen mit Widerstand reagiert?

Widerstand

Widerstand des Azubis im Ausbildungsalltag.

Kennen Sie das? Wenn Sie als Ausbilder ein wichtiges Gespräch vor sich haben und sich vornehmen bestimmte Dinge zu sagen. So beispielsweise in einem Gespräch mit Ihrem Auszubildenden. Weil Sie das Verhalten Ihres Azubis nicht ohne weiteres hinnehmen können. Mit der SAG ES – Methode gibt es auch für Ausbilder eine wirkungsvolle Unterstützung, alltägliche Konfliktsituationen mit den Azubis zu entschärfen. Aber was ist, wenn der Azubi bei jedem Wort was Sie sagen mit Widerstand reagiert?

  • „Typisch! Jetzt hacken wieder alle auf mir herum.“
  • „Warum bin ich immer der Dumme?“
  • „Die anderen Azubis haben das auch immer so gemacht.“
  • „Sie wissen doch ganz genau, dass ich das nicht kann.“
  • „Wozu habe ich mich eigentlich so angestrengt?“
  • „Warum sollte ich noch hier bleiben, wenn Sie soviel an mir herumnörgeln?“

 

Um welche Arten von Widerstand geht es hier?

Trotz – „Jetzt erst recht!“

Die bedrohte oder eingeschränkte Freiheit Ihres Azubis wird dadurch wiederhergestellt, dass genau das getan wird, was nicht getan werden soll, nach dem Motto: „Jetzt erst recht!“
Es handelt sich um ein bewusstes Übertreten von vorgegebenen Grenzen, ein Beharren auf einem Standpunkt – als Zeichen von Widerstand – gegen die Einschränkung der individuellen Freiheit. Im trotzigen Reaktanz Verhalten lautet die Botschaft stets: „Mit mir nicht!“

Wenn es zum Beispiel um den Umgangston Ihrer Azubis gegenüber den Kunden geht. Dann kann sich Ihr Azubi folgende Fragen stellen:

  • Gehen denn die Kunden auch freundlich mit mir um?
  • Muss ich immer gut drauf sein?
  • Wenn die Kollegen machen was sie wollen, dann kann ich das auch.
  • Muss ich mich ständig an den Wortlaut halten, der hier gefordert wird?
  • Kann ich hier nicht einmal mein eigenes Ding machen?

Attraktive Dinge, die ich haben will

Die Entscheidungsfreiheit Ihres Azubis wird dadurch eingeschränkt, dass attraktive Dinge verboten werden. Das heißt, die Arbeiten, die eigentlich keiner gerne macht, werden vom Ausbilder, Kollegen oder anderen Azubis aufgezwungen.

„Dies ist zwar unsere beste Software, aber ich denke, dass das für Sie als unerfahrener Azubi noch nicht in Frage kommt. Sie arbeiten weiterhin mit der Basisversion.“

„Dieser Industrieroboter darf nur von sehr zuverlässigen Mitarbeitern bedient werden. Am besten Sie starten erst einmal in der Abteilung Baugruppenmontage.“

Vielleicht liegt hierin auch eine Erklärung, warum Azubis häufig auf diese Art von Ratschlägen mit einem „Ja, aber…“ reagieren. Dieses „Aber“ widmet sich nämlich dem Ding, bzw. der Sache, die der Azubi gerne hätte. Allerdings bekommt der Azubi genau das nicht, wenn er dem Ratschlag oder der Anweisung seines Ausbilders folgt. Infolgedessen reagiert er mit Widerstand.

Indirekte Freiheitswiederherstellung

Kennen Sie Kinder, die mit der Taschenlampe unter der Bettdecke lesen, obwohl ihre Eltern das Licht zum Schlafen ausgeknipst hatten? Rein äußerlich sehen und hören die Eltern nichts mehr, aber tatsächlich heißt die Botschaft dieses typischen Kinderverhaltens: „Ihr hättet auch das Licht anlassen können, ich lese so oder so.“ Kurzum, nach außen wird die Anweisung befolgt und gleichzeitig wird die Freiheit heimlich demonstriert.

Eine ähnliche indirekte Freiheitswiederherstellung finden Sie auch, wenn Ihr Azubi seinen Arbeitsplatz aufräumen soll, die Pausenregelung einzuhalten hat oder täglich seine Sicherheitsschuhe tragen soll. Erst einmal stimmt Ihr Azubi halbherzig zu „ja, ja…“. Danach wird getrickst, was das Zeug hält.

Offene Aggression

Widerstand kann sich auch in offener Aggression äußern. Wenn Sie als Ausbilder die Freiheit Ihres Azubis einschränkten, müssen Sie mit Angriffen rechnen. Derartige Aggressionen müssen sich nicht in Handgreiflichkeiten äußern. Auch sprachliche Wendungen eignen sich vorzüglich dazu. Beispielsweise, wenn Sie bei Ihrem Azubi eine Kompetenz in Frage stellen. In diesem Fall kann Ihr Azubi deutlich demonstrieren, dass er sich seine Handlungsfreiheit nicht einschränken lassen will.

„Sie haben doch keine Ahnung, was ich neben der Ausbildung noch so mache.“
„Das ist doch lächerlich. Wenn ich will, hacke ich Ihr System als erstes.“

Hierdurch will Ihr Azubi zeigen, dass Sie als Ausbilder keine Chance haben, sich durchzusetzen. Schon gar nicht, dass Sie seine Freiheit einschränken.

 

Was ist der Anteil des Ausbilders an dem Widerstand seines Azubis?

Mit einer ganzen Reihe von sprachlichen Ausdrücken und Wendungen provozieren Sie als Ausbilder Reaktanz. Dabei provozieren sowohl Ratschläge, Anweisungen, Aufforderungen und Empfehlungen Widerstand, als auch durch Deutungen und Hintergründe aufdeckende Äußerungen können sich Gesprächspartner eingeengt fühlen. Dazu können unbeliebte Fragen, Tadel und Kritik, und auch Lob Reaktanz auslösen. Verben, die keine Ausweichmöglichkeit lassen sind:

müssen (müssten)
sollen (sollten)
und nicht dürfen.

Die Anweisungen des Müssens, Sollens und Nicht-Dürfens wirken nur dann Reaktanz frei, wenn die Wahlfreiheit nicht zur Diskussion steht und / oder kein Bedürfnis vorhanden ist, in der betroffenen Situation selbst zu entscheiden. Auch folgende Verben vermitteln einen gewissen Druck und lassen wenig Ausweichmöglichkeit: sich zwingen, überwinden, bemühen, versuchen, anstrengen usw.

 

Wie können Sie als Ausbilder mit dem Widerstand besser umgehen?

Für eine entspannte Gesprächsatmosphäre und gegenseitige Wertschätzung können Sie als Ausbilder folgende Wörter im Gespräch mit Ihrem Azubis einsetzen:

können (könnten)
wollen (wollten)
möchten.

Somit kann Ihr ihr Azubi auf eine reflexive Frage antworten, ohne das Gefühl zu haben,
in seinem Verhaltensspielraum eingeengt worden zu sein. Auch direkte Fragen wirken häufig als Gesprächsstörer, daher verwenden Sie lieber reflexive Fragen, wie:

  • „Ich überlege mir gerade, …“
  • „Ich frage mich, inwieweit…“
  • „Ich bin mir nicht sicher…“
  • „Ich weiß nicht, ob…“

Richtig Nachfragen beim Azubi hilft meistens

Die Botschaft beim Nachfragen lautet:
□ „Ich möchte meinen Azubi gerne verstehen und erfahren, was er meint.“
□ „Ich bin interessiert an dem, was mein Azubi sagt.“

Beim Nachfragen beziehen Sie sich ausschließlich auf das, was ihr Azubi Ihnen bereits mitgeteilt hat, was Ihnen aber im Moment Schwierigkeiten im Verständnis macht.

  • „Können Sie mir gerade ein Beispiel dafür geben?“
  • „Was meinen Sie mit…?“
  • „Was bedeutet…?“
  • „Ich kann mir das im Moment nicht richtig vorstellen.“
  • „Das habe ich gerade nicht verstanden.“

Nachfragen fördert Verständnis.

Weiterführen und Denkanstöße geben

Durch das Weiterführen wird Ihr Azubi dazu aufgefordert, über seinen gedanklichen Horizont hinaus zu gehen. Impulse dieser Art lauten:

  • Was wäre, wenn…
  • Welche Konsequenzen hätte das…?
  • Wie würde es aussehen, wenn…?
  • Was würde passieren, wenn…?
  • Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn…?

Weiterführende Fragen regen zum Nachdenken an.

Wünsche herausarbeiten

Wenn Sie mit Ihrem Azubi Wünsche herausarbeiten, geben Sie ihm die Möglichkeit, für sich herauszufinden, worauf sein Handeln eigentlich abzielt.

Dazu fordern Sie ihren Azubi auf sich vorzustellen, das Ziel sei bereits erreicht und er soll nun beschreiben, was dann wäre. Folgende Fragen können dabei unterstützen:

  • Wenn Sie bereits jetzt wüssten, wie die Sache ausgeht, was würden Sie tun?
  • Was wird Ihr nächster Schritt sein?

Wer mit seinem Azubi Wünsche herausarbeitet, wird nicht nur hören, was er verbal mitteilt, sondern auch für Zwischentöne hellhörig sein.

 

Fazit

Gerade bei der Führung junger Azubis ist viel Sensibilität nötig. Im Gespräch mit Ihrem Azubi können Sie als Ausbilder punkten. Indem Sie ihre Position offen darlegen und sagen, was sie am Verhalten Ihres Azubis stört und welche Veränderung sie sich wünschen. Die gewünschte Veränderung sollten die meisten Ausbilder so konkret wie möglich formulieren. Deshalb ist es wichtig, dabei auch zu erwähnen, welche Folgen das Verhalten für das persönliche Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Azubi hat.

Lassen Sie sich im Gespräch mit Ihrem Azubi nicht durch seine Antworten oder Reaktionen provozieren. Es hilft Ihrem Azubi zu erklären, dass eine konstruktive Lösung angestrebt wird, die für beide Seiten positive Auswirkungen haben wird. Diese Lösung können Sie mit Ihrem Azubi verhandeln. Wichtig ist, dass Ihr Azubi das Gefühl hat, Sie gehen auf ihn zu. Auch wenn strittige Punkte angesprochen werden, können Sie als Ausbilder schwierigen Azubis klar machen, dass ein respektvoller Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten eine Bedingung für eine gute Zusammenarbeit ist und, dass das auch erwartet wird.

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