Wie löse ich professionell Konflikte mit meinem Azubi?

Musst du dir als Ausbilder wirklich alles bieten lassen?

Konflikte mit Azubi

Musst du dir als Ausbilder wirklich alles bieten lassen?

Wenn dein Azubi Stress macht, weil er sein Smartphone im Betrieb nicht aufladen darf.

Wenn dein Azubi immer wieder Probleme mit dem Aufräumen hat und sich dann vor Feierabend schnell verdrückt.

Wenn dein Azubi aufgrund der ungünstigen Fahrzeiten immer wieder zu spät kommt.

Eine wahre Geschichte 

2011 war ich als Trainer in München in einem Jugendprojekt unterwegs. Ich hatte eine Jugendgruppe und es ging um Kompetenzentwicklung innerhalb der Berufsvorbereitung. Am ersten Tag startete ich mit kniffligen Projekten aus dem Outdoortraining. Allerdings in einem Seminarraum. Start war um 08:00 Uhr. Die meisten Jugendlichen waren so ca. 9:00 Uhr da. Das fängt ja schon mal gut an, dachte ich. Dann, um 11:00 Uhr, sprang plötzlich die Tür auf und ein großer Typ kam rein. Stellte sich neben mich, zeigte mit dem Finge auf mich und sagte: Was ist das denn für eine Pfeife? Im ersten Moment war ich platt. Dann fasste ich mich und antwortete: Wer bist du denn? Ich bin Ramos, antwortete er. Ich sagte: Ramos, du kannst hier gerne mitmachen, oder du gehst einfach raus und lässt die Jungs und Mädels ihr Projekt machen. Die anderen riefen zu Ramos. Komm her Alter, mal sehen, ob du das schaffst. Und Ramos machte mit. Da habe ich ja nochmal Glück gehabt. Dachte ich.

In der Pause schnappte ich mir Ramos und wir befanden uns in einem Vier-Augen-Gespräch. Ich fragte Ramos: Was ist denn los mit dir? Wir kennen uns noch gar nicht, aber du machst hier solch einen Affen. Er war plötzlich sehr zurückhaltend und entschuldigte sich für sein Zuspätkommen. Er erzählte mir eine Story über seine Eltern und, dass sein Vater Hartz-4-Empfänger ist. Dass es ständig Stress zwischen seinen Eltern gibt und er auf seinen kleinen Bruder aufpassen muss. Ich fragte ihn: Was hat denn dein Vater beruflich so gemacht? Er antwortete: Der arbeitete in der Produktion. Eine abgeschlossene Berufsausbildung hat er nicht. Jetzt kam es zu Entlassungen und er war auch dabei.

OK, sagte ich. Was wäre, wenn ich für deinen Vater einen neuen Job in der Produktion besorge und du bei mir hier in der Gruppe vernünftig mitmachst. Ramos schaute mich ungläubig an. Ich erklärte ihm, dass ich in einem anderen Projekt Bewerbungsberater bin und viele Kontakte zu Unternehmen habe. Und, dass ich seinen Vater für einen Job empfehlen könnte. Dazu bräuchte ich jedoch seinen Lebenslauf und Arbeitszeugnisse.

Am nächsten Tag kam Ramos pünktlich und er brachte mir die Unterlagen von seinem Vater mit. Ich checkte die Unterlagen, nahm noch einige Veränderungen vor und gab es einem Kollegen von mir, der sich darum kümmerte. Der Vater von Ramos erhielt einen neuen Job und Ramos verhielt sich mir gegenüber wesentlich positiver und machte bei den Projekten mit.

Was sagt uns das alles? Ohne Konflikte werden Azubis nicht erwachsen.

Als Ausbilder erlebst du im Laufe der Zeit ebenfalls den ein oder anderen Konflikt mit einem Azubi. Manchmal reagierst du vielleicht defensiv und ein anderes Mal offensiv. Mal steckst du selbst mittendrin, mal beobachtest du von außen.

Und wenn du es schaffst dich dabei zu beobachten, dann nimmst du vielleicht wahr, welche Verhaltensweise den anderen zum Nachgeben bringen und mit welchen Äußerungen du dich ins Aus katapultierst.

Das coole daran ist, dass du daraus deinen eigenen Konfliktstil ableiten kannst. Wie das? Schau, der Psychologe Kenneth W. Thomas hat in den 70er Jahren anhand zweier Dimensionen fünf Konfliktstile entdeckt. Nach Thomas lässt sich ein Konfliktstil in einer Matrix aus zwei Dimensionen einordnen: In der ersten Dimension geht es um die Frage: Wie stark werden die eigenen Interessen verfolgt. Und in der zweiten Dimension geht es darum, wie stark die Gegenpartei berücksichtigt wird. Folglich ergeben sich daraus fünf Stile.

Um welche Stile es sich handelt, welchen Nutzen diese haben und welche Fähigkeiten du dabei entwickelst, das zeige ich dir in dem zweiten Teil des Vortrages.

Um welche Stile es sich handelt, welchen Nutzen diese haben und welche Fähigkeiten du dabei entwickelst, das zeige ich dir jetzt Schritt für Schritt.

 

Erster Konfliktstil: Durchsetzen: Man selbst gewinnt, die anderen verlieren

Dieser Stil wird gewählt, wenn einer keineswegs von seiner Position abweicht. Deshalb ist dieses Verhalten grundsätzlich nur für die eine Seite zufriedenstellend. Kurzum, hier gibt es einen “Gewinner” und einen “Verlierer”. Es kann aber auch bedeuten, „sich für die eigenen Rechte stark zu machen“ und seine Position zu verteidigen.

 

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen?

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen? Zum Beispiel im Notfall, wenn du eine schnelle Entscheidung treffen musst. Oder zum Selbstschutz, wenn andere ein Nachgeben ausnutzen wollen.

 

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln?

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln? Du lernst ohne Angst vor der Meinung anderer zu sprechen und du erkennst, was dein Standpunkt ist und warum.

 

Zweiter Konfliktstil: Vermeidung: Beide Seiten verlieren

Hierbei kümmerst weder du dich noch der andere um die Belange, die störend wirken. So fängt der Konflikt an zu schwelen und kann sich irgendwann an einer Kleinigkeit entzünden. Diese Art des Umgangs mit Konflikten ist am unproduktivsten, da keine Partei ihre Interessen entsprechend durchsetzen kann.

 

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen?

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen? Zum Beispiel, um Zeit zu gewinnen, um mehr Informationen zu sammeln. Oder, wenn du dem anderen eine Chance geben willst, die Verantwortung zu übernehmen.

 

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln?

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln? Du lernst dich zurückzuziehen und anderen Menschen mehr Raum zu geben und wirst etwas gelassener.

 

Dritter Konfliktstil: Nachgeben: Man selbst geht leer aus, die anderen gewinnen

Diese Verhaltensweise beinhaltet einen gewissen Grad an Selbstaufopferung. Das bedeutet, dass du bereit bist deine eigenen Interessen und Bedürfnisse absolut zurückzustellen, um die Probleme anderer Menschen zu lösen.

 

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen?

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen? Wenn du zum Beispiel möchtest, dass ein anderer Standpunkt auch gehört wird oder wenn das Problem der anderen Person wichtiger ist als für dich.

 

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln?

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln? Zum einen den anderen respektieren, ohne stur zu sein. Und zum anderen zu lernen nachzugeben und jemandem den Vortritt zu lassen.

 

Vierter Konfliktstil: Kompromiss: Beide Seiten verlieren und gewinnen etwas

Diese Strategie wird gewählt, wenn für eine oder beide Parteien bereits abzusehen ist, dass sie ihre eigenen Interessen nicht durchsetzen kann. Ziel ist es also, eine zweckdienliche, für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Hier wird verhandelt, wobei die eigentliche Ursache des Konflikts ungeklärt bleibt. Damit wird der Konflikt nur verschoben.

 

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen?

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen? Zum Beispiel, um mehr Zeit für die Auswahl der bestmöglichen Lösung zu finden. Oder, wenn beide Parteien gleich stark hinter den gegensätzlichen Meinungen stehen.

 

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln?

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln? Du lernst mit anderen Leuten zu kommunizieren und allen Aspekten einer Sache einen Wert beizumessen, um fair zu handeln.

 

Fünfter Konfliktstil: Kooperation: Beide Seiten gewinnen

„Kooperierend“ beinhaltet den Versuch, mit der anderen Person zusammenzuarbeiten, um eine Lösung zu finden, die die Belange beider Personen berücksichtigt. Auf jeden Fall geht es darum, dem Problem auf den Grund zu gehen, um die tieferliegenden Belange beider Personen zu ermitteln und eine Alternative zu finden, die den unterschiedlichen Anliegen gerecht wird. Ziel der Kooperation ist also eine gemeinsam erarbeitete Lösung des Problems.

 

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen?

In welchen Situationen ist dieser Konfliktstil angemessen? Zum Beispiel, wenn beide Seiten einer Frage wichtig sind oder voneinander abhängen. Oder aber, wenn dir eine Mitwirkung zu einer Entscheidung wichtig ist.

 

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln?

Welche Fähigkeiten kannst du dabei entwickeln? Du lernst ein Problem von allen Seiten zu betrachten und wirst in der Lage sein, alle Fragen auf den Tisch zu legen, ohne dabei zu verletzen.

 

Wenn du als Ausbilder im Alltag alle fünf Konfliktstile sinnvoll nutzen kannst, dann vermittelst du als Führungskraft eine klare Botschaft: Ohne Konflikte werden Azubis nicht erwachsen.

 

Und wenn du als Ausbildungsverantwortlicher oder als Ausbildungsbeauftragter mehr Praxistipps brauchst, dann wirf gerne einen Blick in mein neues Fachbuch: „Wenn schon ausbilden, dann richtig!“

In diesem Leitfaden geht es darum, wie du alle Beteiligten im Unternehmen für eine gute Ausbildung begeistern kannst und welche Werkzeuge du im Umgang mit deinen Azubis praktisch anwendest.

Viel Erfolg beim Ausbilden wünscht dir dein Andreas Schüler

 

Video: Mit welcher Strategie löse ich professionell Konflikte mit meinem Azubi?

 

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