Die praktische Durchführung in der AEVO Prüfung
Der praktische Prüfungsteil in der AEVO Prüfung besteht im ersten Teil aus einer 15minütigen Präsentation oder praktischen Durchführung einer berufstypischen Ausbildungssituation. Unter dem Strich ist die praktische Durchführung die Simulation eines realen Vorgangs, bei dem der Prüfungsteilnehmer die Rolle des Ausbilders übernimmt. Die Rolle des Auszubildenden wird entweder von einem Mitglied aus dem Prüfungsausschuss übernommen oder es steht eine andere Person für diese Rolle zur Verfügung. Der Prüfungsausschuss ist nur Zuhörer. Als Ausbildungsmethode eignet sich beispielsweise die Demonstration, die Einarbeitungsmethode, das Rollenspiel, das Lehrgespräch oder die Vier-Stufen-Methode.
Welche Themen eignen sich für das Lehrgespräch?
Unter dem Strich gibt die AEVO lediglich folgenden Wortlaut vor: „Hierfür wählt der Prüfungsteilnehmer eine berufstypische Ausbildungssituation aus.“ Jeder Prüfungsausschuss hat einen gewissen Spielraum, die Aussage „berufstypische Ausbildungssituation“ zu interpretieren. Eine „Ausbildungssituation“ ist eine Situation in einem betrieblichen Kontext, die im Prozess der Dienstleistung oder der Produktion steht und gleichzeitig ausbildenden Charakter aufweist. Kurzum; Prüfungsteilnehmer sollen also eine typische Situation aus dem Ausbildungsalltag darstellen können. Hier nun einige Themen, bei denen das Lehrgespräch gut geeignet sind:
- Kontrolle eines Lieferscheins als Fachlagerist
- Ausfüllen einer SEPA-Überweisung als Bankkaufmann
- Aufnahme einer Unfallanzeige als Versicherungskaufmann
- Sachliche Rechnungsprüfung als Industriekaufmann
- Kalkulation einer Speise als Hauswirtschafter
- Einchecken des Gastes als Hotelfachmann
- HTML-Code erstellen als Fachinformatiker
- Wareneingangskontrolle als Kaufmann im Einzelhandel
- Reisekostenabrechnung erstellen als Steuerfachangestellter
- Beitragsrechnung erstellen als Kaufmann für Büromanagement
- Erstellung eines Veranstaltungsflyers als Mediengestalter für Bild und Ton
- Kassenbericht erstellen als Fachverkäufer für Lebensmittel
- Auswahl von Bewerberprofilen als Fachangestellter für AMD
- Preisberechnung von Waren als Automobilkaufmann
- Annahme eines Kundentelefonates als Kaufmann für Dialogmarketing
- Anlegen einer Personalakte als Personaldienstleistungskaufmann
- Sicherheitsbelehrung im Flugzeug als Servicekaufmann Luftverkehr
Was ist ein Lehrgespräch und wann wendet man es an?
Das Lehrgespräch ist eine ausbilderzentrierte und fragend entwickelnde Ausbildungsmethode. Demzufolge liegt die Gesprächsführung beim Ausbilder und die Auszubildenden tragen ihre Erfahrungen zu dem gestellten Thema bei.
- Der Ausbilder führt in das Thema ein, erklärt das Gesprächsziel, erfragt die Erfahrungen der Auszubildenden und fasst zusammen oder lässt zusammenfassen.
- Die Auszubildenden bringen ihre Erfahrungen vor und bemühen sich im Gespräch um die Klärung der Thematik.
Anwendungsbereiche des Lehrgesprächs
Das Lehrgespräch ist vor allem in kaufmännischen Berufen von großer Bedeutung, wie zum Beispiel beim Zahlungsverkehr und bei der Buchhaltung. Darüber hinaus ist es aber auch zum Lehren und Lernen von komplexen Themen gut geeignet. Das Lehrgespräch erlaubt:
- nachzudenken, zu vergleichen, zu urteilen
- Sprache und Ausdruck zu fördern
- das Verständnis der betrieblichen Vorgänge zu vertiefen und auszuwerten
- Denklücken zu schließen und Missverstandenes zurechtzurücken
- Überblicke zu vermitteln, Zusammenhänge des Betriebsgeschehens aufzuzeigen
- Beziehungen des Betriebs zur Gesamtwirtschaft sichtbar zu machen
- eine berufsbezogene Allgemeinbildung zu fördern
Praxisbeispiel: Lehrgespräch zu den Pausenregelungen im Unternehmen
Folgende Situation: In Ihrem Unternehmen ist es wiederholt zu leichten Verstößen gegen die Pausenregeln der jugendlichen Arbeitnehmer gekommen. Dabei verlassen fünf Auszubildende des 1. Lehrjahres in ihrer 45-minütigen Mittagspause ungenehmigt das Betriebsgelände, gehen zu McDonalds und kommen regelmäßig zu spät in die Lehrwerkstatt zurück. Nun wollen Sie in einem Lehrgespräch mit den dafür verantwortlichen Auszubildenden die Regeln für die Pausen erarbeiten. Nutzen Sie die geltenden rechtlichen Bestimmungen sowie die betrieblichen und tariflichen Bedingungen, die für Ihr Unternehmen zutreffen. Kurzum, Sie als Ausbilder erstellen nun einen Ablaufplan inkl. Fragen und möglichen Antworten der Auszubildenden.
Hinweise zur Rechtsgrundlage: Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz – JArbSchG) § 11 Ruhepausen, Aufenthaltsräume
(1) Jugendlichen müssen im Voraus feststehende Ruhepausen von angemessener Dauer gewährt werden. Die Ruhepausen müssen mindestens betragen
1. 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als viereinhalb bis zu sechs Stunden,
2. 60 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden.
Als Ruhepause gilt nur eine Arbeitsunterbrechung von mindestens 15 Minuten.
(2) Die Ruhepausen müssen in angemessener zeitlicher Lage gewährt werden, frühestens eine Stunde nach Beginn und spätestens eine Stunde vor Ende der Arbeitszeit. Länger als viereinhalb Stunden hintereinander dürfen Jugendliche nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
(3) Der Aufenthalt während der Ruhepausen in Arbeitsräumen darf den Jugendlichen nur gestattet werden, wenn die Arbeit in diesen Räumen während dieser Zeit eingestellt ist und auch sonst die notwendige Erholung nicht beeinträchtigt wird.
Erster Schritt: Begrüßung der Auszubildenden
Small Talk, Vorstellung des Themas, Lernziele der Ausbildungseinheit.
Begrüßung: Hallo zusammen. Ich hoffe, Sie sind fit und munter?! Es ist jetzt kurz nach der Mittagspause, sicher sind Sie müde nach dem Essen. Was gab es denn so? Haben Sie sich etwas mitgebracht oder waren Sie in der Kantine?
Vorstellung des Themas: Heute nehmen wir uns alle etwas Zeit, um uns über wichtige Arbeitsschutzmaßnahmen auszutauschen. Darunter zählen zum Beispiel die Pausenzeiten in unserem Betrieb.
Lernziele: Wir werden uns für dieses Thema ca. 30 Minuten Zeit nehmen und Ihre Meinungen sind hierbei sehr wichtig. Nach unserer „Diskussion“ gibt es eine kurze Zusammenfassung, so dass jeder von Ihnen im Anschluss auf dem „Schirm“ hat, was er da eigentlich im Arbeitsvertrag und in den UVV unterschrieben hat.
Zweiter Schritt: Gesprächsführung
Fakten zum Thema kurz wiederholen, an Erfahrungen anknüpfen, offene Fragen (Warum? Wie? Wo? Wann? Was?), bei Gruppen gehen die Fragen an alle Auszubildenden, ausreichend Zeit zum Überlegen einräumen, weiterführende Fragestellungen, sprachliche Impulse des Ausbilders. Offene Fragen könnten sein:
- Wie wichtig sind für Sie die Pausenzeiten? (Skalen- oder Punkteabfrage)
- Also wenn Pausen wichtig sind, wie sollte man sie denn verbringen?
- Wer weiß denn, wer diese Pausenzeiten erfunden hat?
- Wer kennt denn die Pausenzeiten in unserem Unternehmen?
- Welche Pausenzeiten werden eigentliche von den Fachkräften praktiziert?
- Was haben Sie, als jugendliche Auszubildende, eigentlich für Pausenzeiten?
- Welche Arbeitszeiten haben die Auszubildenden?
- Was versteht man unter Arbeitszeiten?
- Welche Pausen machen Sie denn in Ihren Abteilungen?
- Welche gesetzlichen Regelung zu Pausenzeiten gibt es in unserem Betrieb?
- In welchem Gesetz ist das mit den Pausenzeiten eigentlich geregelt?
- Wir schauen uns das Gesetz einmal an: Wir haben das bei uns so geregelt: …
Dritter Schritt: Zusammenfassung
Wesentliche Inhalte werden vom Ausbilder oder den Auszubildenden zusammengefasst. Benutzung von Visualisierungsmitteln wie z. B. Metaplankarten, Pinnwand, Whiteboard oder Mindmaps. Ausblick auf die nächste Ausbildungseinheit und Dank für die aktive Mitarbeit. Weitere Vorgehensweise:
- Frage an die Azubis: Wie können Sie sicherstellen, dass die Situation der Pausenregelung in Zukunft verbessert werden kann?
Der Ausbilder stellt gemeinsam mit den Azubis die Pausenregelungen im Betrieb in einem großen Mindmap oder einer Metaplantechnik am Whiteboard oder der Pinnwand zusammen. Wir haben von:
- 09:30 Uhr – 09:45 Uhr Frühstückspause,
- von 12:00 – 12:30 Uhr Mittagspause und
- von 14:30 – 14:45 Uhr nochmals eine Kaffeepause.
Weitere gemeinsame Festlegungen zwischen Ausbilder und Azubis werden schriftlich vereinbart. Ausbilder: „Gut, dann lassen Sie uns in zwei Wochen am Dienstag, den 10. Oktober 2017 um 10:00 Uhr nochmals kurz zusammensetzen um gemeinsam zu prüfen, wie Ihnen die Einhaltung gelungen ist.“
Wie ist der genaue Ablauf eines Lehrgesprächs in der AEVO Prüfung?
Erster Schritt: Einleitung (Begrüßung, Small Talk, Thema und Lernziele)
Zeit: ca. 3 Minuten
Aktionen: Der Ausbilder legt die Arbeitsmaterialien bereit, begrüßt den Azubi, schafft eine angenehme Atmosphäre, nennt das Thema, das Lernziel, fragt nach Vorkenntnissen und zeigt den Nutzen auf. Der Auszubildende hört zu und beantwortet ggf. Fragen. Anfangs ist es neben einer Begrüßung wichtig, den Azubi „gedanklich“ abzuholen und ihn für die bevorstehende Aufgabe zu begeistern. Überdies fühlt sich der Azubi sicherer, wenn er weiß, was jetzt auf ihn zukommt. Deshalb erläutert der Ausbilder am besten grob, was er mit dem Azubi vorhat.
Methodik: Kurzvortrag, Lehrgespräch
Ausbildungsmittel: Rechnungen, Formulare, Arbeitsmaterialien, Notizpapier, Stift, PC mit Software, Eingabemasken, Datenbanken, Skizzen, Stift und Papier, Flipchart, Pinnwand, Whiteboard
Begründung: Herstellen einer guten Lernatmosphäre, Motivation durch Interesse wecken, Anknüpfen an Vorerfahrungen, Nutzen aufzeigen: Was kann der Azubi nach dem Lehrgespräch selbstständig und ohne jegliche Hilfe?
Zweiter Schritt: Gesprächsführung (anknüpfen, offene Fragen, Impulse)
Zeit: ca. 9 Minuten
Aktionen: Der Ausbilder knüpft an Vorerfahrungen des Auszubildenden an und wendet eine fragendentwickelnde Methode zur selbständigen Erarbeitung des Themas durch den Auszubildenden an. Anhand von notwendigen Schritten, werden diese auch praktisch erarbeitet. Beispielsweise Eingaben in Erfassungsfelder, korrekte Zuordnung von Daten oder Prüfung von Rechnungsbestandteilen.
Methodik: Fragetechniken, Lehrgespräch
Ausbildungsmittel: Rechnungen, Formulare, Arbeitsmaterialien, Notizpapier, Stift, PC mit Software, Eingabemasken, Datenbanken, Skizzen, Stift und Papier, Flipchart, Pinnwand, Whiteboard
Begründung: Lernen durch Einsicht und durch das Anknüpfen an Vorerfahrungen des Auszubildenden. Förderung der Selbständigkeit des Auszubildenden durch sprachliche Impulse des Ausbilders. Möglichkeit zum Nachfragen geben. Schließlich kann eine fehlerhafte Arbeitsweise durch den Ausbilder korrigiert werden.
Dritter Schritt: Zusammenfassung (mit Pinnwand, Whiteboard, etc.)
Zeit: ca. 3 Minuten
Aktionen: Der Ausbilder fasst gemeinsam mit dem Auszubildenden die wesentlichen Inhalte der Unterweisung, wie z.B. Erfassungsfelder, Inventardatenbank, Eingangsrechnungen, mittels Metaplankarten als Lernzielkontrolle zusammen. Der Ausbilder erklärt die zukünftige Anwendung in der Berufspraxis, gibt einen Ausblick auf die nächste Ausbildungseinheit, den Hinweis auf die Eintragung ins Berichtsheft und bedankt sich für die aktive Mitarbeit.
Methodik: Metaplantechnik, Mindmap, Lehrgespräch
Ausbildungsmittel: Rechnungen, Formulare, Arbeitsmaterialien, Notizpapier, Stift, PC mit Software, Eingabemasken, Datenbanken, Skizzen, Stift und Papier, Flipchart, Pinnwand, Whiteboard
Begründung: Gelerntes wird gefestigt und zusammengefasst, das Lernziel wird auf richtige Erfüllung geprüft, Motivation durch den Nutzen für den Auszubildenden, Orientierung geben beim Ausblick, Ausbildungsnachweis für die spätere Zulassung zur Abschlussprüfung.
Richtiges Fragen im Lehrgespräch ist nicht immer einfach
Tatsachenfragen am Anfang des Lehrgesprächs
Um einen Bezug zu vorhandenem Wissen herzustellen. Zum Beispiel: „Bei der letzten Unterweisung erklärte ich die Karteiführung. Wer von Ihnen kann mir das noch mal kurz wiederholen?“ Die Antwort lässt den Ausbilder feststellen, ob die Auszubildenden die letzte Unterweisung verstanden haben, und ist zugleich Anknüpfungspunkt für das Lehrgespräch. Geschlossene Fragen wie z. B. „Wissen Sie, wie eine Kartei geführt wird?“ hemmen den Gesprächsfluss.
Besser sind offene Fragen
Beispielsweise „Wie werden die Zugangs- und Abgangsbelege auf die Karteikarten übertragen?“, „Wir haben neue Ware bekommen. Was geschieht mit den eingekauften Waren?“, „Wie bezahlen wir in unserem Betrieb die Lieferantenrechnungen?“, „Wie wird der ordnungsgemäße Wareneingang festgestellt?“.
Beurteilungsfragen regen zum Mitdenken an
Und lassen eigene Meinungen und Ansichten erkennen. Zum Beispiel: „Für die Beschriftung der Frachtbriefe darf kein Filzschreiber verwendet werden. Warum wohl nicht?“
Entwicklungsfragen
Dienen ebenfalls dazu, das Mitdenken der Auszubildenden anzuregen. Zum Beispiel: „Welche Aufgabe hat diese Schraube?“, „Was würde geschehen, wenn sich diese Membrane durchböge?“, „Welche Namen könnten wir allen bisher besprochenen Teilen geben?“.
Video: Mit diesem Lehrgespräch bestehen auch Sie Ihre AEVO Prüfung
Y2mate Official
Posted at 07:23h, 10 SeptemberVielen Dank für den informativen Beitrag! Das Lehrgespräch ist wirklich ein entscheidender Bestandteil der AEVO Prüfung. Besonders die praktischen Tipps zur Vorbereitung sind sehr hilfreich. Ich freue mich darauf, diese in meiner eigenen Prüfung anzuwenden!