Warum sollten Ausbildungsbetriebe eigentlich Flüchtlinge ausbilden?
Die DIHK-Online-Unternehmensbefragung vom Juni 2018 zeigt auf, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird, offene Ausbildungsplätze zu besetzen. In jedem dritten Betrieb blieben Ausbildungsplätze unbesetzt. Dabei erhielten 70 Prozent der Betriebe, die Plätze nicht besetzen konnten, keine geeigneten Bewerbungen. Das und vieles mehr hat dazu geführt, dass 14 Prozent der Unternehmen derzeit Flüchtlinge ausbilden.
Wenn Unternehmen Flüchtlinge ausbilden, können sie einen humanitären Beitrag zur Integration leisten und gleichzeitig den eigenen Fachkräftenachwuchs sichern. Junge Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und auf der Suche nach einem besseren Leben in Deutschland weite Wege auf sich nehmen, haben dadurch Ausdauer und Willenskraft bewiesen. Trotz des demografischen Wandels ist es also möglich motivierte Auszubildende zu gewinnen. Der offene Umgang mit jungen Menschen aus einer anderen Kultur fördert obendrein alternative Sichtweisen und kann helfen neue internationale Geschäftswege zu gehen.
Welche rechtlichen Grundlagen müssen für die Ausbildung von Flüchtlingen beachtet werden?
Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis (meist 3 Jahre) dürfen grundsätzlich ohne Einschränkungen eine betriebliche Berufsausbildung in Unternehmen aufnehmen. Allerdings dürfen Geduldete und Asylbewerber grundsätzlich nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde eine konkrete betriebliche Berufsausbildung aufnehmen. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht erforderlich, sofern es sich um einen staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt. Geduldete dürfen in diesem Fall sofort mit der betrieblichen Berufsausbildung beginnen. Für Asylbewerber beträgt die Wartefrist 3 Monate. Das bedeutet, dass innerhalb dieser dreimonatigen Wartefrist keine Beschäftigung erlaubt ist.
Zusammenfassend gelten folgende Regelungen:
- Anerkannte Flüchtlinge (mit Aufenthaltserlaubnis) dürfen ohne weiteres ausgebildet werden. Dabei zahlen Unternehmen die reguläre Ausbildungsvergütung, wie zum Beispiel im Tarifvertrag vereinbart.
- Asylbewerber ab dem 4.Monat des Aufenthaltes sowie Geduldete ab dem 1. Tag der Duldung bedürfen der Zustimmung der lokalen Ausländerbehörde. Die Ausbildungsvergütung ist tariflich nicht gebunden, dennoch ist eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen. Diese beträgt nach gegenwärtiger Rechtsprechung mindestens 80 Prozent der üblichen tariflichen Vergütung Ihrer Branche. Gibt es keinen entsprechenden Tarifvertrag, legt die zuständige Kammer auf Nachfrage die Höhe der Vergütung fest. Hinweis: Personen aus sicheren Herkunftsländern, deren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt wurde, dürfen nicht beschäftigt werden.
Was bedeutet „Geduldet“?
Geduldete Flüchtlinge mit einer Anspruchsduldung dürfen wegen eines Hindernisses nicht abgeschoben werden. Dieses Hindernis kann zum Beispiel ein fehlender Pass sein oder die Aufnahme einer Berufsausbildung. Allerdings wird die Duldung bei Abbruch einer Ausbildung einmalig für sechs Monate verlängert, damit eine neue Ausbildungsstelle gefunden werden kann.
Geduldete, die mit Zustimmung der Ausländerbehörde einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, können eine Duldung für die gesamte Ausbildungszeit erhalten (sogenannte Ausbildungsduldung). Voraussetzung für die Ausbildungsduldung ist u. a., dass keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen. Wird der Flüchtling nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung im Betrieb als Fachkraft weiterbeschäftigt, erhält dieser ein Aufenthaltsrecht für 2 weitere Jahre (sogenannte „3+2-Regelung“).
Geduldete mit einer Ermessensduldung bedeutet, wenn „dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder ein öffentliches Interesse den weiteren Aufenthalt des Betroffenen erfordern“ und die Ausländerbehörden ihr Ermessen positiv ausgeübt haben (z. B. um den kurz bevorstehenden Schulabschluss zu ermöglichen). Fällt der Erteilungsgrund weg (z. B. bei erfolgreichem Schulabschluss), dann wird die Duldung in der Regel nicht verlängert. Die Betroffenen müssen grundsätzlich mit ihrer Abschiebung rechnen.
Was sind Asylbewerber mit und ohne Bleibeperspektive?
Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgestattung sind Asylbewerber, die sich im Asylverfahren befinden. Über ihren Asylantrag wurde noch nicht endgültig entschieden. Dementsprechend erhalten Asylbewerber zur Durchführung ihres Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung, die sie für die gesamte Verfahrensdauer behalten. Die Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel. Bis zur Entscheidung über den Antrag sind sie in der Regel vor einer Abschiebung geschützt. Sie haben einen grundsätzlich eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.
Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive gehören insbesondere Asylbewerber an, deren Antrag auf Asyl voraussichtlich Erfolg haben wird. Im Jahre 2016 gehörten hierzu Asylbewerber aus den Ländern: Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Somalia.
Zu den Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive gehören insbesondere Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten. Sichere Herkunftsstaaten sind (neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Union) aktuell: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien.
Welche Eigenschaften von Flüchtlingen müssen berücksichtigt werden?
Flüchtlinge bringen sehr unterschiedliche kulturelle Hintergründe, schulische und berufliche Vorerfahrungen sowie Sprachkenntnisse mit. Die Lebensgeschichte und Fluchterfahrung von Flüchtlingen wirken sich auf jeden Fall auf den Ausbildungsalltag aus. Die geflüchteten Azubis verließen ihre Heimat aus Angst vor Krieg, Not und Elend und haben eventuell extreme Erfahrungen gemacht. Dies merkt man den Flüchtlingen wahrscheinlich auch im Arbeitsalltag an.
Was hilft ist Verständnis und eine gute Vorbereitung der Ausbilder und ausbildenden Fachkräfte. Diese müssen sich erst einmal mit dem Gedanken, Flüchtlinge auszubilden, auseinandersetzen. Denn viele Flüchtlinge verfügen nur über eine vergleichsweise geringe Vorbildung. Allerdings sollten Flüchtlinge, bevor sie eine Ausbildung starten, über eine ausreichende Grundbildung und Sprachkenntnisse verfügen.
Welche Möglichkeiten der Sprachförderung gibt es für Flüchtlinge?
Je nach Aufenthaltsstatus können Flüchtlinge die Integrations- und berufsbezogenen Sprachkurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nutzen. Zudem bieten eine Reihe öffentlicher als auch privater Träger kostenlose oder kostenpflichtige Präsenz- und Onlineangebote an. Weiterhin gibt es in vielen Kommunen inzwischen Initiativen auf ehrenamtlicher Basis, die Interessenten beim Lernen der deutschen Sprache unterstützen.
Die meisten Flüchtlinge/Migranten lernen Deutsch zunächst in einem Integrationskurs. Dieser dauert insgesamt 700 Unterrichtsstunden und ist für Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis, Geduldete und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive i. d. R. kostenfrei. Wenn im Sprachtest ausreichende Deutschkenntnisse (mind. Sprachniveau B1) nachgewiesen werden und der Test „Leben in Deutschland“ bestanden wird, erhalten die Teilnehmer das „Zertifikat Integrationskurs“.
Wie können die Deutschkenntnisse von Flüchtlingen eingeschätzt werden?
Gemäß des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen GER“ wird die Sprachkompetenz in 3 Grund-Level unterteilt: A) „Elementare Sprachanwendung“, B) „Selbstständige Sprachanwendung“ und C) „Kompetente Sprachanwendung“. Diese 3 Grundlevels werden nochmals in 6 Stufen des Sprachniveaus unterteilt:
- A1 – „Anfänger“
- A2 – „Grundlegende Kenntnisse“
- B1 – „Fortgeschrittene Sprachverwendung“
- B2 – „Selbständige Sprachverwendung“
- C1 – „Fachkundige Sprachkenntnisse“
- C2 – „Annähernd muttersprachliche Kenntnisse“
Erläuterung: B1 – Fortgeschrittene Sprachverwendung
Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.
Wie soll die schulische und berufliche Bildung beurteilt werden?
In der Regel ist für die duale Berufsausbildung formal kein bestimmter schulischer Abschluss erforderlich. Allerdings müssen ausreichende kognitive Fähigkeiten und schulische Vorbildung vorliegen, damit Auszubildende das Ausbildungsziel erreichen können. Dabei sind je nach Beruf unterschiedliche Vorkenntnisse hilfreich.
Wenn ein Flüchtling im Heimatland bereits praktische Berufserfahrungen gesammelt hat, kann der Ausbildungsbetrieb darauf aufbauen. Eine gute Basis für ein Gespräch mit potenziellen Auszubildenden ist der betriebliche Ausbildungsplan. Am besten ist es ein Gespräch mit interessierten Flüchtlingen zu führen, bei dem Schritt für Schritt erklärt wird, was es zu lernen gilt und was sie dafür mitbringen müssen.
Im BQ-Portal dem Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen, finden Sie detaillierte Informationen zu den Bildungssystemen in mehr als 70 Ländern – unter anderem Syrien, Irak und Afghanistan. So können Sie Rückschlüsse über den zeitlichen Umfang und die Inhalte der schulischen Vorqualifikationen Ihrer Kandidatinnen und Kandidaten ziehen.
Welche staatlichen Fördermittel kommen in Frage?
Assistierte Ausbildung (AsA)
Jugendliche mit schwachem Schulabschluss oder mit Migrationshintergrund haben oft mehr drauf, als es auf den ersten Blick scheint. Folglich spiegeln sich leider nicht immer ihre Kompetenzen in Schulnoten und Zeugnissen wider.
Viele Betriebe scheuen aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwandes bei schwierigeren Ausbildungsbewerbern vor einer Einstellung zurück. Überdies reicht hier den Betrieben als Unterstützung die Gewährung von ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) an die Auszubildenden oft nicht aus. Daher bietet sich hierfür das Instrument der „Assistierten Ausbildung“ als Lösung an.
Schließlich hat der Bundestag am 26. Februar 2015 mit dem § 130 SGB III eine gesetzliche Regelung für eine Assistierte Ausbildung beschlossen. Dementsprechend sollen förderungsbedürftige junge Menschen und deren Ausbildungsbetriebe während einer betrieblichen Berufsausbildung unterstützt werden. Förderungsbedürftig sind lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Auszubildende. Während der Betrieb diese benachteiligten jungen Menschen ausbildet, wird er von einem durch die Agentur für Arbeit beauftragten Bildungsträger intensiv und kontinuierlich unterstützt. Die Maßnahmekosten werden durch die Agenturen für Arbeit bzw. Jobcenter vollständig getragen.
Hilfestellung gibt es bei:
- Lücken und Lernschwierigkeiten in der Fachtheorie und Fachpraxis
- dem Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten
- Problemen im sozialen Umfeld, im Betrieb und mit Prüfungen
- der Verwaltung, Organisation und Durchführung der Ausbildung
Je nachdem in kleinen Lerngruppen oder in Einzelunterricht. Ferner umfassen die regelmäßigen Austausch- und Lernangebote 4 bis 9 Stunden wöchentlich, außerhalb der betrieblichen Ausbildungszeiten und durch die regelmäßige Begleitung im Betrieb. So helfen regelmäßige Gespräche mit den an der Ausbildung Beteiligten im Betrieb, frühzeitig mögliche Schwierigkeiten zu erkennen und daraus Handlungsbedarfe abzuleiten. Dabei wird die Unterstützung individuell auf die Bedürfnisse des Betriebes ausgerichtet.
Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH)
Junge Menschen können begleitend zu einer betrieblichen Berufsausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen erhalten. Kurzum, mit ausbildungsbegleitenden Hilfen soll förderungsbedürftigen jungen Menschen die Aufnahme, Fortsetzung sowie der erfolgreiche Abschluss einer erstmaligen betrieblichen Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen ermöglicht und Ausbildungsabbrüche verhindert werden. Hilfestellung gibt es beispielsweise bei Lücken und Lernschwierigkeiten in der Fachtheorie und Fachpraxis, Sprachproblemen, Problemen im sozialen Umfeld, im Betrieb und mit Prüfungen. Übrigens werden die ausbildungsbegleitenden Hilfen von Bildungsträgern im Auftrag der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters angeboten. Je nachdem umfasst der regelmäßige Stütz- und Förderunterricht 3 bis 8 Stunden wöchentlich und außerhalb der betrieblichen Ausbildungszeiten. Gelernt wird in kleinen Lerngruppen oder in Einzelunterricht. Unter dem Strich werden Auszubildende gefördert, die wegen der in ihrer Person liegenden Gründe ohne die Förderung eine Berufsausbildung bzw. Einstiegsqualifizierung nicht beginnen, fortsetzen oder erfolgreich beenden können.
Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
Sie ist eine staatliche Förderung, die man als Auszubildender und als Teilnehmer einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme beantragen kann. Der Zweck dieser Förderung liegt darin, einem Auszubildenden eine finanzielle Grundlage zu gewähren, falls die Ausbildungsstätte zu weit von den eigenen Eltern entfernt liegt und deshalb eine eigene Haushaltsführung nötig wird.
Grundsätzlich gilt die Förderung der Berufsbildungsbeihilfe für Ausbildungen und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen. Dabei kann eine Berufsausbildung sowohl betrieblich, als auch außerbetrieblich stattfinden. Darüber hinaus wird nur die erste Ausbildung gefördert, wobei es Sonderfälle gibt, wenn zum Beispiel die erste Ausbildung nicht bis zum Ende abgeschlossen wurde. In jedem Fall ist es erforderlich, dass bereits ein Ausbildungsvertrag unterzeichnet wurde, bevor man Berufsausbildungsbeihilfe beantragt.
Die Höhe der BAB richtet sich nach der Art der Unterbringung. Dabei wird grundsätzlich eigenes Einkommen des Auszubildenden voll angerechnet. Um vorab zu prüfen, ob und in welcher Höhe Berufsausbildungsbeihilfe gezahlt wird, gibt es zum Beispiel einen BAB-Rechner im Internet unter www.babrechner.arbeitsagentur.de.
Zusammengefasst wird die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) während einer Berufsausbildung sowie während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich der Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses als Zuschuss geleistet. Dabei erhalten Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe, wenn sie während der Berufsausbildung nicht bei den Eltern wohnen.
Wie ist die beste Vorgehensweise bei der Integration von Flüchtlingen?
Damit eine Ausbildung der Flüchtlinge erfolgreich verlaufen kann, müssen die Azubis möglichst gut integriert werden. Dabei geht es um die fachliche, sprachliche und gesellschaftliche Integration. Läuft alles gut, dann fühlen sich die geflüchteten Azubis gut integriert und verspüren den Wunsch auch nach de Ausbildung im Unternehmen zu bleiben.
Die geflüchteten Azubis sind häufig älter als inländische Auszubildende, die meist direkt von der Schule kommen. Das Ausbildungspersonal hat es also mit jungen Erwachsenen zu tun, die sie
anders ansprechen können und sollten als 15- oder 16-jährige Jugendliche. Das heißt, dass die Berufserfahrung und die bereits erworbenen Kompetenzen der jungen Menschen
wertgeschätzt werden sollten.
Interkulturelle Besonderheiten berücksichtigen
Missverständnisse aufgrund fehlender interkultureller Kompetenzen können Kommunikationsprozesse komplett zum Erliegen bringen.
Ein vereinfachtes Beispiel soll die Problematik verdeutlichen: Ein Auszubildender im dritten Ausbildungsjahr, dessen Sozialisation in einer arabischen Kultur stattfand, soll sich mithilfe der Leittextmethode ein neues Themengebiet erarbeiten und das Erlernte praktisch anwenden. Regelmäßige Nachfragen durch die Ausbilderin, ob der Arbeitsprozess voranschreite, werden bejaht. Am Tag der Auswertung der Ergebnisse stellt sie fest, dass der Auszubildende bereits Verständnisprobleme mit dem Inhalt der Aufgabenstellung hatte. Die Ausbilderin stellt sich nun die Frage, wie das geschehen konnte, hat sie doch immer wieder nachgefragt und ihre Hilfe angeboten.
Die Verhaltensweise lässt sich (vereinfacht) dadurch erklären, dass im Kulturkreis des Auszubildenden das Eingestehen von Hilfsbedürftigkeit als Schwäche gewertet wird und er deswegen keine weiteren Fragen gestellt hat. Hätte die Ausbilderin den kulturellen Hintergrund des Auszubildenden berücksichtigt, wäre sie in der Lage gewesen, auf ihn einzugehen, ohne ihn bloßzustellen.
Kulturelle Dimensionen verstehen
Am Modell der kulturellen Dimensionen lassen sich unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen unterschiedlicher Kulturkreise erklären und einander gegenüberstellen. Wissen die Unternehmen um diese Zusammenhänge, können sie in unterschiedlichen Situationen mit ihren Flüchtlingen angemessen reagieren:
Universalismus vs. Partikularismus
Stehen Regeln und Gesetze im Mittelpunkt der Handlungen oder werden flexible, situationsbedingte Ansätze bevorzugt?
Individualismus vs. Kollektivismus
Sind das persönliche Ziel und die persönliche Leistung wichtiger als Gruppenziele und die Gruppenleistung?
neutral vs. affektiv
Werden Emotionen unterdrückt oder werden sie offen gezeigt?
spezifisch vs. diffus
Wie wichtig sind persönliche Beziehungen für das Geschäft? (spezifisch: Geschäft geht vor Beziehung; diffus: Beziehung geht vor Geschäft)
Leistung vs. Zuschreiben
Wie erfolgt die Legitimation von Macht und Status? Hängt sie von der Leistung ab oder z. B. eher von der Herkunft und dem Alter?
Warum eine gute Onboarding-Strategie für die neuen Azubis wichtig ist
Die Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis haben gezeigt, dass die ersten Ausbildungstage ein wesentliches Kriterium für eine erfolgreiche Partnerschaft zwischen Ihrem Azubi, als zukünftige Fachkraft, und Ihrem Ausbildungsbetrieb sind. Deshalb sind Fehler und Unachtsamkeiten in dieser Phase nicht selten Auslöser für Unzufriedenheit und Desinteresse bei Ihren Azubis. Schließlich folgt als letzte Konsequenz die Kündigung in den ersten vier Monaten. Für Sie als Ausbildungsbetrieb ist eine Fehlentwicklung zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses aus mehreren Gründen fatal.
Erster Grund: Der gesamte Personalbeschaffungsprozess ist recht zeit- und kostenintensiv. Für eine Stellenbesetzung steht eine Investition von durchschnittlich 5.000 bis 20.000 Euro. Im Folgenden rechnet man
- die Kosten des Azubi-Marketings und der Stellenausschreibung,
- die Kostenerstattung für eventuelle Anreisekosten des Bewerbers,
- etwaige Kosten für Vermittlungsaktivitäten,
- den geldwerten Zeitaufwand von Führungskräften und vom Personalwesen
Zweiter Grund: Bei einer Kündigung des Azubis fällt der Aufwand für die Personalbeschaffung erneut an. Des weiteren gibt es einen Zeitabschnitt zwischen innerer Kündigung des Azubis und tatsächlichem Austritt. Während dieser Zeitspanne liegt zumeist ein gestörtes Verhältnis zwischen dem Ausbilder und seinem Azubi vor. damit ist weder die Ausbildungsleistung des Betriebes noch die Lernleistung des Azubis gewährleistet.
- Es ist also aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, dass Ihnen als Ausbildungsbetrieb Ihre neuen Azubis erhalten bleiben. Denn schließlich sollen Ihre Azubis eines Tages Fachkräfte werden und eigenständige Leistungen erzielen. Vielleicht sogar schon während der Ausbildungszeit.
Dritter Grund: Neue Azubis, auf die kein besonderes Augenmerk gelenkt wird, müssen häufig auf Ausbilder und Kollegen zugehen, um die Informationen einzuholen. Oft lassen sich diese Informationen problemlos zusammengefasst vermitteln.
- Dadurch können die Ausbilder und Kollegen nicht ihre normale Leistung erbringen. Letztlich bewirkt eine hohe Fluktuation von neuen Azubis im gesamten Ausbildungsbetrieb aber auch bei Kunden ein negatives Image. Die Folge ist eine negative Auswirkung auch auf die finanzielle Geschäftslage.
Quellenangaben: Handlungsempfehlung „Ausbildung von Flüchtlingen“, KOFA / Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung, DIHK
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