Wer hat eigentlich den Begriff Assessment Center erfunden?
Andreas: Das Wort Assessment Center stammt aus dem englischen ab. Von to assess, das bedeutet einschätzen und Center der Mittelpunkt.
Silke: Ich hab mal gehört, dass die Preußen etwas damit zu tun hätten.
Andreas: Ja, die Grundidee des Assessment Centers basiert auf einem Prüfungsverfahren für Offiziere der Reichswehr. In den 1920iger Jahren wurde im Auftrag des Deutschen Reichskriegsministeriums eine sogenannte Heerespsychotechnik im Forschungszentrum an der Berliner Universität entwickelt. Die Prüfung der Offiziere bestand dabei aus Intelligenz und Persönlichkeitstests sowie Interviews. Schließlich entdeckte in den fünfziger Jahren die amerikanische Wirtschaft diese Methode, um Bewerber besser auf ihre Eignung zu testen. Seit den siebziger Jahren wird dieses Verfahren auch von deutschen Unternehmen zur Personalauswahl eingesetzt.
Und was genau wird in so einem Assessment Center geprüft?
Andreas: Auf jeden Fall jede Menge Fähigkeiten und auch Verhaltensweisen der potentiellen Bewerber.
Silke: Und welche Fähigkeiten könnten das zum Beispiel sein?
Andreas: Zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Teamfähigkeit, Problemlösefähigkeiten, Einfühlungsvermögen, Leistungsbereitschaft, Flexibilität und strukturiertes Denken.
Marcel: Aber mal ehrlich, wenn ich da jetzt einen Azubibewerber habe, der an einem Assessment Center teilnimmt. Dann kann doch jeder schauspielern was das Zeug hält.
Silke: Also, ich hab´ mal an einem Assessment Center teilgenommen und meine erste Aufgabe war es, vor 20 fremden Leuten zu präsentieren, warum gerade ich in das Unternehmen so gut passe. Dazu hatte ich 15 Minuten Vorbereitungszeit. Mit schauspielern war da Essig. Ich war zufrieden, dass ich das irgendwie überlebt habe.
Marcel: O. k. o. k., vielleicht ist das doch nicht so einfach mit dem Schauspielern.
Andreas: Die meisten Kandidaten in einem Assessment Center vergessen ziemlich schnell, wie sie sich eigentlich verhalten wollten. Die meisten Aufgaben stellen eine so große Herausforderung dar, dass man nur noch authentisch reagieren kann.
Was sind das so für Aufgaben, die ein Azubi im Assessment Center erwarten kann?
Andreas: Neben der Selbstpräsentation gibt es auch noch Gruppendiskussionen, Rollenspiele, Postkorbübungen, Interviews Persönlichkeits- Intelligenz- und Leistungstests und auch die Überprüfung von sogenannten Benimmregeln.
Silke: Ja, die Benimmregeln kann so manch einer gut gebrauchen. Aber was sind denn Postkorbübungen?
Andreas: Hier, bekommt der Kandidat die Vorgabe sich in die Situation einer bestimmten Person hineinzuversetzen. Das kann zum Beispiel ein Abteilungsleiter in einer Firma sein. Dann müssen unter Zeitdruck viele wichtige und wichtig erscheinende Entscheidung getroffen werden.
Marcel: Na, das hört sich doch einfach an.
Andreas: Kommt drauf an. Meistens hat man 15 Minuten Zeit, um 20 verschiedene Entscheidung zu treffen.
Silke: Und was für eine Art von Entscheidungen können das sein?
Andreas: Zum Beispiel, will der leistungsstärkste Mitarbeiter kündigen. Gleichzeitig wird die beste Assistentin krank, die persönliche Kreditkarte wurde gesperrt, der Akku des Handys ist alle und man kann keinen erreichen. Dann wird parallel dazu das Kind krank, und die Produktion muss anhalten, weil ein Ersatzteil nicht lieferbar ist. Und man selbst sitzt im Taxi an einem ganz anderen Ort und steckt im Stau.
Marcel: Ist denn solch eine Postkorbübung überhaupt lösbar?
Andreas: Gute Frage. In der Regel geht es gar nicht darum diese Aufgaben zu 100 % zu lösen.
Silke: Um was geht es dann?
Andreas: Die Assessoren beobachten die Verhaltensweisen des Kandidaten.
Moment mal. Wer sind denn jetzt die Assessoren?
Andreas: Ein Assessor ist ein Beobachter im Assessment Center. Das kann ein Personalberater sein, eine Führungskraft, ein Psychologe oder ein Personalreferent. Und beobachtet werden ganz bestimmte Kriterien.
Silke: Und welche Kriterien werden nun bei einer Postkorbübung genauer unter die Lupe genommen?
Andreas: Auf jeden Fall systematisches Denken und Handeln. Das bedeutet analytisches Denkvermögen, also das Ordnen von Informationen nach eigenen Kriterien. Dann noch die Entscheidungsfähigkeit, Delegationsfähigkeit, Belastbarkeit, Stressresistenz und Konzentrationsfähigkeit. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt.
Marcel: Da wird man ja als Kandidat echt heftig analysiert. Ist das bei der Gruppendiskussion auch so oder reicht es, wenn man einfach nur mitlabert?
Andreas: Bei den Gruppendiskussionen gibt es drei unterschiedliche Typen. Typ A ist die Diskussion eines Themas wie zum Beispiel aus den Bereichen Politik Umwelt, Bildung oder Wirtschaft. Zum Beispiel: „Wie sinnvoll sind nächtliche Ausgangssperren während der Corona Pandemie?“
Silke: Ja, da kann es schon mal zu heftigen Diskussionen kommen. Was ist denn der nächste Typ?
Andreas: Beim Typ B geht es um die Diskussion einer speziellen Problemstellung, mit der Aufgabe, gemeinsam einen Handlungsplan zu entwickeln, wie zum Beispiel die Entwicklung eines Evakuierungsplanes bei einem Großbrand in einem Klinikum.
Marcel: Auch das hört sich nach einer spannenden Diskussion an. Und was ist der letzte Typ in der Gruppendiskussion?
Andreas: Das ist der Typ C. Hierbei geht es um die Diskussion eines vorgegebenen Themas, bei dem die Kandidaten eine bestimmte Position vertreten sollen. Zum Beispiel, eine Debatte unter Führungskräften bezüglich der Einführung von Arbeitszeitkonten im Unternehmen.
Silke: Und welche Fähigkeiten der Kandidaten werden bei der Gruppendiskussion von den Assessoren unter die Lupe genommen?
Andreas: So etwas wie die Kompromissbereitschaft, andere ernst nehmen, zuhören können, sich nicht in den Vordergrund spielen, seine eigene Meinung vertreten, knappe und präzise Beiträge zu leisten und auf den Gesprächspartner eingehen.
Rollenspiele sind doch nun aber wirklich Schauspielerei, oder?
Marcel: Jetzt hatten wir die Selbstpräsentation, die Postkorbübung und die Gruppendiskussion angesprochen. Die Rollenspiele sind doch nun aber wirklich Schauspielerei, oder?
Silke: Also, in dem Assessment Center an dem ich teilgenommen hatte, gab es auch ein Rollenspiel. Das war eine Kundenreklamation und man hat mir einen Kunden vorgesetzt, der sich bei mir massiv beschwert hat. Ich habe ganz schön kämpfen müssen, bis ich erst mal herausgefunden habe, um was es dem Kunden eigentlich ging.
Andreas: Die klassischen Rollenspiele greifen Situationen aus dem Arbeitsalltag auf. Also wie hier, typische Situationen mit Kunden. Auch hier hat die schauspielerische Leistung ihre Grenzen. Da muss man schon gute Fragetechniken in petto haben und herausfinden, was der Kunde meint und nicht das was er sagt. Also das aktive Zuhören.
Marcel: Und welche Fähigkeiten des Kandidaten werden beim Rollenspiel von den Assessoren überprüft?
Andreas: Zum Beispiel rhetorische Fähigkeiten, wie Argumentationstechniken, Fragetechniken, Einwandbehandlung, Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen und Kooperationsfähigkeit.
Silke: Ich hab mal eine ganz andere Frage. Welche Unternehmen führen denn eigentlich Assessment Center durch?
Andreas: In der Regel alle großen Unternehmen wie zum Beispiel: BMW, Deutsche Bank, IBM, Gerling, BASF, Telekom, SAP, ThyssenKrupp und viele mehr.
Gibt es noch andere Begriffe anstatt Assessment Center?
Marcel: Gibt es eigentlich noch andere Begriffe anstatt Assessment Center, die aber für das gleiche stehen?
Andreas: Ja, zum Beispiel Auswahl oder Beurteilungsseminar, Eignungstests, Qualifizierungsworkshop, Kennenlerntag, Bewerberrunde oder Profilworkshop. Hinter all diesen Begriffen steckt ein Assessment Center.
Silke: Andreas, kannst du bitte mal noch kurz das Wichtigste zu dem Assessment Center zusammenfassen, was ich für die AEVO-Prüfung wissen muss?
Andreas: Ja klar. Zunächst ist ein Assessment Center ein Gruppenauswahlverfahren. Die Bewerber nennen sich Kandidaten und die Personen, die diese Bewerber bewerten nennen sich Assessoren. Es kommen verschiedene Aufgaben für die Kandidaten infrage. Zum Beispiel die Selbstpräsentation, die Gruppendiskussion, dass Rollenspiel, die Postkorbübung oder das Interview. In all diesen Aufgaben werden die Kandidaten von den Assessoren nach bestimmten Kriterien bewertet. Für jeden Kandidaten gibt es mindestens einen Assessor und am Ende des Assessment Centers entscheiden alle Assessoren über die Auswahl der geeigneten Kandidaten.
Video: Was passiert im Assessment Center für Azubis?
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