Warum ist Lernen in der Ausbildung eine Zumutung?

Hallo an alle Berufs- und Weiterbildungspädagogen. Im Themenfeld: „Lernbegleitung“ gehen wir heute der Frage auf den Grund: Warum ist Lernen in der Ausbildung eine Zumutung?

Lernen als Zumutung

Warum sollte Lernen eine Zumutung sein?

Marcel: Warum sollte Lernen eine Zumutung sein?

Andreas: Weil Lernen in der Regel mit Widerständen und Problemen anfängt.

Silke: Ja, das kann ich nur bestätigen. Wenn in meinem Alltag plötzlich und unerwartet Widerstände und Probleme auftauchen, dann habe ich häufig das Bedürfnis es zu lösen.

Andreas: Ja, und dabei lernst du sicherlich eine ganze Menge nebenher.

 

Wenn ich lerne, dann bin ich doch erfolgreich!

Marcel: Aber, wenn ich etwas lerne für eine Klausur und mich ausreichend angestrengt habe, da kann ich die Fragen doch beantworten. Warum sollte das also eine Zumutung sein? Dann bin ich doch erfolgreich und freue mich.

Andreas: Wenn wir hier von Lernen sprechen, dann sprechen wir nicht darüber, einfach nur Informationen abzurufen, sondern Erfahrungen zu machen. Wenn du in deiner Prüfung alles richtig gemacht hast, gab es offenbar nichts zu lernen. Denn du hast ja vorher bereits alles gewusst. Du hast dich nur daran erinnert und es folgerichtig aufgeschrieben. Das war dein Erfolg.

 

Das meiste müssen wir im Laufe des Lebens erst lernen

Silke: Das wenigste können wir Menschen doch bereits von Geburt an. Das meiste müssen wir uns im Laufe unseres Lebens erst aneignen.

Marcel: Was meinst du damit?

Silke: Na, zum Beispiel: Gehen, Sprechen, Fahrradfahren, Essen zubereiten, Konflikte lösen, sich angemessen anziehen, rechnen, Flirten, zuverlässig sein, sein eigenes Leben in die Hand bekommen und viel, viel mehr.

Marcel: Ah, verstehe. In all den Fällen, wo man die ganzen Dinge noch nicht kann, tritt tatsächlich eine Situation auf, die nicht so spontan lösbar ist. Und dann fängt unser inneres Umdenken an, und wir probieren einfach etwas Neues aus.

 

Und das Entscheidende ist ein Problem

Andreas: Ja, und in so einer neuen Situation ist das entscheidende, das Problem oder ein Fehler, den man gemacht hat.

Marcel: Hää, warum das entscheidende?

Andreas: Weil man sich bei einem Problem oder einem Fehler mit der Sache intensiv auseinandersetzt. Man stellt Fragen und sucht Antworten und Alternativen.

 

Und was ist mit Widerstand?

Silke: Dann ist ohne Widerstand praktisch kein echtes Lernen möglich.

Andreas: Ja, genau. Denn erst durch den Widerstand werden wir herausgefordert, das Problem zu lösen. Und auf diesem Weg lernen wir parallel ganz viele kleine Sachen neu hinzu.

Marcel: Verstehe, damit ist Lernen auch mit unangenehmen Erfahrungen, mit Fehlern und Irrtümern verknüpft.

Andreas: Ja, und das führt zum Beispiel bei erfolgsfixierten Menschen dazu, Lernen zu vermeiden.

Silke: Warum das denn?

Andreas: Obwohl Lernen auch Spaß machen kann, konfrontiert es einen immer auch am Anfang mit dem eigenen Unvermögen. Und dieses „nicht können“ erleben zum Beispiel Perfektionisten als Makel, weil sie alles im Griff haben wollen. Sehr erfolgsfixierte Menschen versuchen daher Situationen, in denen es Neues zu lernen gilt, eher zu vermeiden. Sie beschränkt ihre Aktivitäten lieber auf das, was sie sicher können und schrecken vor anderem Neuem zurück.

Marcel: Das hört sich zwar sehr psychologisch an. Stimmt aber irgendwie.

 

Und dann sind da die Perfektionisten

Silke: Ja, das mit den Perfektionisten habe ich schon öfters erlebt. Statt, dass man bei Fehlern dem eigenen Unvermögen ins Auge blickt, machen diese Personen häufig äußere Gründe oder Sündenböcke verantwortlich, denen man die Schuld für das Problem geben kann.

Andreas: Genau. Hier mal ein Beispiel: Wenn man beim Festziehen eine Schraube abreißt, weil man zu unsensibel und gewaltsam ans Werk gegangen ist, müsste man sich an diesem Punkt ändern, also lernen. Stattdessen behauptet man aber, die Schraube hätte nichts getaugt oder man hätte es mit schlechtem Material zu tun. Damit ist man selbst aus der Verantwortung und braucht sich selbst nicht zu ändern.

Marcel: Das gleiche Phänomen tritt häufig im Sport auf. Da behaupten einige Fußballstars, dass der Rasen nass gewesen sei, und sie deshalb den Elfmeter nicht verwandeln konnten. Wogegen andere, bei gleichen Bedingungen, erfolgreich sind.

Andreas: Deshalb steht am Anfang jedes Lernprozesses die berühmte Frage: Was will mir das sagen? Trotz aller möglichen externen Ursachen kann man sich fragen: Wieso begegnet mir dieses Problem? Und was sagt es über mich aus?

Silke: Das ist aber eine Reflexion, die nicht jeder von uns hat.

 

Sollte man sich dann selbst in Frage stellen?

Marcel: Sich selbst infrage zu stellen bedeutet ja auch, dass man nicht so bleiben kann, wie man ist, sonst ändert sich ja auch nichts.

Silke: Ja, ich kenne auch Menschen, die sich mit ihrer eigenen Unfähigkeit abgefunden haben und sich in ihrer Komfortzone befinden. Nur keine großen Sprünge, nur keine großen Ansprüche, irgendwie wird man sich schon einrichten.

Andreas: Leider führt dieser Mangel an Erfahrung lediglich zu einer Bestätigung des negativen Selbstgefühls: „Unfähigkeit“ und des „sich hängen lassen“. Ganz unter dem Motto: Ich will und kann mich nicht ändern, nehmt mich doch bitte einfach so wie ich bin. Diese Art von Resignation tarnt sich oft als Bescheidenheit.

Marcel: Braucht man denn zum Lernen nicht auch eine gehörige Portion Willen?

Andreas: Auf jeden Fall. Wichtig ist hier das Lernmotiv herauszufinden. Es gibt einige unter uns, die lernen einfach etwas Neues, weil sie neugierig sind und sich immer weiter entwickeln wollen. Andere lernen, um vor anderen besser dazustehen oder Erfolg zu haben.

 

Lernen kann also auch verunsichern

Silke: Meine Erfahrung ist, dass Lernen auch sehr verunsichern kann.

Marcel: Was meinst du damit?

Silke: Je mehr man lernt, desto komplexer wird die Welt und desto eher kommt man ins Schwimmen.

Marcel: Verstehe, das Risiko beim Lernen ist, doch immer alte Denkgewohnheiten, Meinungen oder vertraute Handlungsabläufe nicht mehr so zeigen zu können, wie in der Vergangenheit.

Silke: Und dann kommt noch hinzu, dass man erst mal eine Idee im Kopf hat oder man ist davon begeistert, dass man etwas begriffen hat. Das Problem aber ist es, von der Theorie in die Praxis zu kommen.

Andreas: Da hilft es zum Beispiel, wenn man einfach anfängt. Wenn man übt. Und gerade am Anfang macht man häufig auch noch kleine Fehler. Das sollte man jedoch nicht als Zeichen von Schwäche sehen, sondern eher als Erweiterung der eigenen Fähigkeiten.

Marcel: Ja, und das ist ja am Ende die ganze Zumutung beim Lernen. Üben ist anstrengend, mühsam, wirkt schnell langweilig und wenig motivierend.

Silke: Allerdings, wenn man es geschafft hat diese Durststrecke zu überwinden, dann wird man immer erfolgreicher und häufig bekommt man positives Feedback von seiner Umwelt.

 

Warum ist Lernen in der Ausbildung eine Zumutung?

 

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