Verleitet ein Beurteilungsbogen mit Beurteilungskriterien zu Schematismus?
Im Vergleich zu einer freien Beurteilung erfassen die beurteilenden Ausbilder mit einem Beurteilungsbogen die wesentlichen Merkmale schriftlich. Dazu zählen auch die Beurteilungskriterien. Schließlich soll sich ja die Subjektivität des Ausbilders in Grenzen halten. Infolgedessen werden bei der gebundenen Beurteilung anhand vorgedruckter Beurteilungsbögen die Auswertung und die Vergleichbarkeit erleichtert. Obwohl die Beurteilung dem Ausbilder und dem Azubi Aufschluss über den Ausbildungsstand und -fortschritt geben soll, verleitet manchmal ein Beurteilungsbogen zu Schematismus und es besteht eine Neigung zu Pauschalurteilen. Damit das nicht passiert, macht es Sinn die richtigen Beurteilungskriterien für seinen Azubi herauszusuchen.
Woher kommen die Beurteilungskriterien eigentlich?
Nehmen wir zum Beispiel die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement.
Schritt 1 | Fundstelle: Fähigkeit aus der Ausbildungsordnung
In der entsprechenden Ausbildungsordnung (Kaufleute für Büromanagement) sind zum Beispiel im Ausbildungsrahmenplan unter § 4 Absatz 2 Nummer 2.1 als Richtlernziel die Kundenbeziehungsprozesse zu finden. Ein dazugehöriges Groblernziel lautet: c) situationsgerecht und kundenorientiert Auskunft geben und beraten.
Schritt 2 | Schlüsselkompetenz aus dem Groblernziel ableiten
Für das kundenorientierte Beraten gehört zum Beispiel die Schlüsselkompetenz: Empathie. Mit anderen Worten, das Einfühlungsvermögen. Damit hätten wir schon einmal ein Beurteilungskriterium für den Beurteilungsbogen.
Schritt 3 | Schlüsselkompetenz (= Beurteilungskriterium) genauer definieren
Häufig haben Ausbilder und Azubi zu der Eigenschaft „Empathie“ ganz unterschiedliche Erfahrungen und Definitionen. Demzufolge wird dieses Beurteilungskriterium genauer definiert. So könnte eine beispielhafte Definition aussehen: „Ich bin an anderen Menschen und ihren Themen interessiert. Ich kann mich in die Probleme anderer hineindenken, ich kann Zuhören und achte darauf, was und wie andere mir etwas mitteilen.“ Mit dieser Definition sollten jetzt beide, also Ausbilder und Azubi, wissen, um was es genau bei der Bewertung „Empathie“ geht.
Beispielhafte Beurteilungskriterien, die oft in Frage kommen
AUFTRETEN: Ich kann der Situation entsprechend souverän, vertrauenswürdig und überzeugend auftreten. Ich kenne meine persönliche Wirkung und kann sie bewusst für eine erfolgreiche Präsentation einsetzen.
DURCHHALTEVERMÖGEN: Ich kann mit schwierigen Bedingungen wie beispielsweise großem Druck, Widerständen, Störungen, usw. konstruktiv umgehen; ebenso kann ich auch über längere schwierige Phasen eine gute und erfolgreiche Leistung erbringen.
LEISTUNGSBEREITSCHAFT: Ich bin bereit, Arbeitsaufgaben freiwillig und motiviert zu übernehmen und dabei hohes Engagement zu zeigen. Dabei kann ich sowohl qualitativ als auch quantitativ gute Ergebnisse erbringen, ohne mich von Misserfolgen entmutigen zu lassen. Ich kann mich immer wieder neu motivieren, auch nach Rückschlägen.
SORGFALT: Ich erledige Arbeitsaufträge gewissenhaft, gründlich, vollständig und verlässlich. Hierbei wahre ich auch den Überblick, achte ich auf geordnete Unterlagen und auf die Dokumentation von Vorgängen und wichtigen Details.
TEAMFÄHIGKEIT: Ich kann mich voll und ganz für die gemeinsamen Ziele einsetzen. Des Weiteren kann ich meine eigenen Fähigkeiten konstruktiv einbringen, aber auch mit Kritik umgehen. Außerdem kann ich problemlos zugunsten von gemeinsamen Lösungen meine Informationen einbringen und Kompromisse schließen.
ZUVERLÄSSIGKEIT: Ich halte mich an die Regeln und Absprachen, die ich mit anderen vereinbart habe. Andere können sich auf meine Aussagen verlassen; ich erledige meine Aufgaben in der zugesagten Qualität.
Wie Beurteilungskriterien gewichtet bzw. bewertet werden
Nehmen wir hier zum Beispiel das Beurteilungskriterium: SORGFALT. Ich erledige Arbeitsaufträge gewissenhaft, gründlich, vollständig und verlässlich. Hierbei wahre ich auch den Überblick, achte ich auf geordnete Unterlagen und auf die Dokumentation von Vorgängen und wichtigen Details.
Gewichtung 5 (höchste Punktzahl): arbeitet immer äußerst sorgfältig, genau und zuverlässig; stets einwandfreie Arbeit; somit sind die Arbeitsergebnisse in besonders hohem Maße verwertbar
Gewichtung 4: arbeitet sorgfältig; gewissenhaft und genau; die Arbeitsergebnisse sind in hohem Maße verwertbar
Gewichtung 3: arbeitet in der Regel sorgfältig und fehlerfrei; Arbeitsergebnisse sind den Anforderungen entsprechend verwertbar
Gewichtung 2: arbeitet teilweise oberflächlich und nicht immer gewissenhaft; man kann sich auf die Arbeit nur bedingt verlassen; die Güte der Arbeit geht teilweise auf Kosten der Schnelligkeit; nimmt Weisungen nicht immer genau
Gewichtung 1 (niedrigste Punktzahl): sehr oberflächlich und nachlässig; Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit lassen oft zu wünschen übrig; macht viele Fehler; die Arbeitsergebnisse sind fast immer fehlerhaft und dementsprechend kaum verwertbar
Eine Beurteilung mit Beurteilungskriterien – muss das wirklich sein?
Die meisten Jugendlichen können sich und ihre Fähigkeiten meist noch nicht so recht einschätzen. Deshalb geben Ausbilder regelmäßige Rückmeldung. Die Leistung und das Verhalten der Auszubildenden werden also in einem Beurteilungsbogen genauer unter die Lupe genommen. Anfangs in der Probezeit, nach den ersten Ausbildungsabschnitten, nach der Zwischenprüfung und schließlich am Ende der Lehre.
Vor jeder Beurteilung steht die Beobachtung. Danach führen Sie mit dem Auszubildenden ein Gespräch über Ihre Beurteilung und vereinbaren gemeinsam Ziele. Schriftlich festgehalten wird das alles in Beurteilungsbögen mit festen Beurteilungskriterien. Das ermöglicht eine objektivere und nachvollziehbare Bewertung. Unter dem Strich werden damit Beurteilungen zum Bestandteil verschiedener Gesprächsanlässe. Übrigens, die Beurteilungsbögen können Sie auch als Grundlage für das Verfassen des Ausbildungszeugnisses am Ende der Berufsausbildung verwenden.
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