Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz zum 01.01.2020
Die neu eingeführte Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz gilt für Ausbildungsverhältnisse, die ab dem 1. Januar 2020 geschlossen werden. Die Höhe wurde schon bis zum Jahr 2023 geregelt. Danach passt sich die Höhe der Mindestausbildungsvergütung ab 2024 jährlich an die durchschnittliche Entwicklung aller Ausbildungsvergütungen an. Sie wird jeweils im November des Vorjahres im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben.
Die Ausbildungsvergütung hängt also ab jetzt davon ab, in welchem Kalenderjahr die Ausbildung beginnt. Für die gesamte Ausbildungsdauer müssen die Mindestvergütungssätze (differenziert nach Ausbildungsjahren) eingehalten werden, die für den Beginn der Ausbildung gelten. Aber Achtung: Bei bereits abgeschlossenen Ausbildungsverträgen darf die Vergütung ab 1. Januar 2020 nicht nach unten angepasst werden.
Für 2020 beträgt die MiAV 515 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Dieser Basiswert soll dann bis 2023 in drei Stufen auf 620 Euro steigen. Die Vergütungen für das zweite, dritte und vierte Ausbildungsjahr werden durch prozentuale Aufschläge von 18, 35 beziehungsweise 40 Prozent auf das jeweilige Basisjahr ermittelt. Im Jahr 2023 mit einem Basiswert von 620 Euro wäre demnach mit einer Ausbildungsvergütung von 868 Euro im vierten Lehrjahr zu bezahlen. Der Übersichtlichkeit halber hier eine Tabelle:
Wichtig: Ist der Ausbildungsbetrieb tarifgebunden, gilt die tarifvertraglich festgesetzte Höhe der Ausbildungsvergütung. Tarifverträge haben Vorrang vor der Mindestausbildungsvergütung. Ist der Ausbildungsbetrieb nicht tarifgebunden, darf er den branchenüblichen Tarif um höchstens 20 Prozent unterschreiten, jedoch nicht unter die Mindestausbildungsvergütung.
Einheitliche Regelung zur Freistellung für den Berufsschulunterricht
Neue Regelungen in § 15 BBiG stellen ab jetzt die volljährigen Auszubildenden den jugendlichen Auszubildenden, bei der Freistellung und Anrechnung des Berufsschulunterrichts auf die Arbeitszeit, gleich.
Die bestehende Regelung aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz, dass Auszubildende vor einem vor 09:00 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht nicht beschäftigt werden dürfen, wurde in das BBiG übernommen. Darüber hinaus sollen alle Auszubildenden nicht nur für die Teilnahme am Berufsschulunterricht, sondern auch an einem Berufsschultag mit fünf Unterrichtsstunden und mehr, einmal in der Woche freigestellt werden. Dieser Tag wird mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit angerechnet. Selbstverständlich gilt für minderjährige Auszubildende auch weiterhin gleichermaßen das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Die bisherige Anrechnung der Wegezeit auf die Ausbildungszeit nach dem zweiten Berufsschultag entfällt durch die Neuregelung. In diesem Fall gibt es keine gesetzliche Verpflichtung mehr, dass die Wegezeit von der Berufsschule in den Betrieb als Ausbildungszeit angerechnet werden muss.
In Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen, müssen die Auszubildenden ebenfalls freigestellt werden. Hier wird die durchschnittliche wöchentliche Ausbildungszeit angerechnet.
Freistellung vor der Abschlussprüfung
Durch die Modernisierung des BBiG haben ab jetzt alle Auszubildenden Anspruch auf einen freien Tag vor den schriftlichen Abschlussprüfungen.
Auslandsaufenthalte im Rahmen der Ausbildung
Die Dauer eines Auslandsaufenthaltes während der Ausbildung, die einen mit der zuständigen Stelle abgestimmten Plan erfordert, ist von vier auf acht Wochen erhöht worden.
Verbesserte Durchlässigkeit innerhalb der Ausbildung
Die Anrechenbarkeit der Ausbildungsdauer bei „gestuften“ Ausbildungen ist vereinfacht worden. Zur Verbesserung der Durchlässigkeit bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen („gestufte Ausbildung“) kann eine Ausbildungsordnung künftig zusätzlich regeln, dass Auszubildende bei erfolgreichem Abschluss eines zweijährigen Ausbildungsberufes vom ersten Teil der Abschlussprüfung oder einer Zwischenprüfung eines darauf aufbauenden drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufes, ohne Antrag befreit sind.
Zudem sollen Auszubildende bei nicht bestandener Abschlussprüfung in einem drei- oder dreieinhalbjährigen Ausbildungsberuf, der auf einem zweijährigen Ausbildungsberuf aufbaut, auf Antrag (bei mindestens ausreichenden Leistungen im ersten Teil der Abschlussprüfung) gleichzeitig den Abschluss des zweijährigen Ausbildungsberufes erwerben.
Durch den Erwerb des zweijährigen Abschlusses bleibt die Möglichkeit bestehen, weitere Wiederholungsversuche in der Abschlussprüfung des drei- bzw. dreieinhalbjährigen Berufes zu unternehmen. Die Voraussetzungen für die aufgeführten Neuerungen müssen jeweils in den zugrunde liegenden Ausbildungsordnungen (die die zuständigen Stellen eigenständig entwickeln müssen) festgelegt werden – das BBiG gibt nur den Rahmen dafür vor.
Automatisierte Auswertung von Antwort-Wahlaufgaben in Prüfungen
In § 42 Abs. 4 des BBiG befindet sich eine weitere Neuerung, die es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die Bewertung von Prüfungsleistungen, die im Rahmen des Antwort-Wahl-Verfahrens (Single- oder Multiple-Choice Verfahren) erbracht wurden, nicht durch Prüfende, sondern mittels entsprechender Software automatisch auszuwerten. Der Prüfungsausschuss übernimmt in diesem Fall das Ergebnis.
Erweiterte Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung
Bisher war eine Teilzeitberufsausbildung auf Ausnahmefälle begrenzt. Seit Beginn des Jahres gibt es hier keine Einschränkung mehr! Ausbildende und Auszubildende müssen sich jedoch einig sein. Die tägliche Ausbildungszeit kann im Rahmen der Teilzeitausbildung bis zur Hälfte reduziert werden. Im Ausgleich kann die Ausbildungsdauer auf maximal das Eineinhalbfache verlängert werden. Die Ausbildungsvergütung kann im gleichen Verhältnis abgesenkt werden wie die Ausbildungszeit. Auch in der Teilzeitausbildung kann die Verkürzung der Gesamtausbildungszeit nach § 8 BBiG oder die vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung nach § 45 BBiG beantragt werden.
Änderungen in den Fortbildungsstufen
Zur Stärkung der höherqualifizierenden Berufsbildung werden nun verbindlich drei beruflichen Fortbildungsstufen unmittelbar im BBiG verankert und mit einer jeweils eigenen, zusätzlichen Abschlussbezeichnung versehen.
Die erste Fortbildungsstufe ist der Berufsspezialist. Er findet beispielsweise für die (zertifizierten) IT-Spezialisten und (geprüften) Servicetechniker Anwendung.
Der „Bachelor Professional“ ist die zweite Fortbildungsstufe und umfasst die Meister und Fachwirte.
Die dritte Fortbildungsstufe ist der „Master Professional“ für die IHK-Betriebswirte und Berufspädagogen.
Die bisherigen Abschlussbezeichnungen bleiben erhalten und stehen vor der weiteren neuen Bezeichnung der Fortbildungsstufe. Die Umstellung auf die neuen Bezeichnungen erfolgt jedoch nicht automatisch. Hierzu ist eine Anpassung in den jeweiligen Fortbildungsordnungen durch das Bundesministerium und eine Anpassung der Rechtsvorschriften durch die zuständigen Stellen (Kammern) erforderlich. Eine rückwirkende Anpassung ist aktuell nicht vorgesehen.
Freistellung von Prüfern
Bisher gab es im BBiG keine Regelung zur Freistellung von Prüferinnen und Prüfern für ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Mit der Modernisierung des Gesetzes sind Prüferinnen und Prüfer ab jetzt freizustellen, wenn der Ausübung des Prüferehrenamtes keine wichtigen betrieblichen Gründe entgegenstehen.
Verbesserungen für Prüfungen und ein attraktives Ehrenamt
Die zuständige Stelle (Kammer) kann, im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses, die Abnahme und abschließende Bewertung von einzelnen Prüfungsleistungen an sog. Prüferdelegationen übertragen. Außerdem kann die Zahl der notwendigen Prüfer und Prüferinnen zur abschließenden Bewertung einzelner Prüfungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen von 3 auf 2 reduziert werden. Das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung wird weiterhin vom Prüfungsausschuss festgestellt. Diese Option ist jedoch nur für schriftliche Prüfungsleistungen zulässig. Bei mündlichen Prüfungen und Fachgesprächen muss nach wie vor der gesamte Prüfungsausschuss (mind. 3 Personen) anwesend sein.
Fazit
Aus der Sicht von Auszubildenen wird sich durch Mindestausbildungsvergütung, Freistellungen und Teilzeitausbildung wahrscheinlich einiges verbessern. Die Bundesregierung geht im gleichen Zuge von einem finanziellen Mehraufwand in Höhe von bis zu 57 Millionen Euro für die ausbildenden Betriebe aus, für die jedoch nach Subventionsmöglichkeiten gesucht wird.
Auch wenn die Neuerung für Ausbildungsbetriebe zunächst vor allem kostspielig erscheinen, müssen wir uns vor Augen halten, dass wir als Ausbildungsbetriebe auf ein attraktives Ausbildungssystem angewiesen sind, um Auszubildende für die duale Berufsausbildung begeistern und gewinnen zu können.
Ohne Auszubildende keine Sicherung des Fachkräftebestandes! So einfach ist das. Und, wenn wir jetzt mal wirklich ehrlich zu uns sind, sind „zugekaufte“ Fachkräfte wesentlich teuer in der „Beschaffung“ und dem „Unterhalt“, als der Azubi, den wir selbst zur Fachkraft ausgebildet haben.
Meine Oma sagte immer: „Was muss, das muss!“ Wir kommen nicht um die Umsetzung des Gesetzes herum. Lassen Sie uns in diesem Sinne schauen, was die Änderungen Positives für uns in der Praxis bringen, anstatt mit ihnen zu hadern.
Nun hoffe ich, Sie konnten sich einen umfassenden Überblick verschaffen und verspreche, dass das nächste Thema weniger Gesetzes lastig wird 😉
Herzlichst, Kristina Dörr aus dem Team der Ausbilderwelt
Quellen:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales www.bmas.de , IHK Düsseldorf www.duesseldorf.ihk.de , IHK Nord Westfalen www.ihk-nordwestfalen.de , Handwerksblatt.de www.handwerksblatt.de , S IHK zu Hagen www.sihk.de , Deutscher Gewerkschaftsbund www.dgb.de
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