Sind Lernschwierigkeiten normal?
Marcel: Ist das eigentlich normal, dass Ausbilder mit Lernschwierigkeiten ihrer Azubis rechnen müssen?
Silke: Ich glaube schon, denn jeder von uns kann doch mal in Schwierigkeiten geraten.
Bianca. Das sehe ich auch so. Aber woran erkennt man, wenn der Azubi echte Lernschwierigkeiten hat?
Andreas: In erster Linie an Auffälligkeiten im Verhalten des Azubis.
Marcel: Ja, und was für Verhaltensweisen könnten das sein?
Andreas: Na zum Beispiel dauernde Unpünktlichkeit, Fehlzeiten, Interessenlosigkeit, Aggressivität, Provokationen, Lügen oder sogar Arbeitsverweigerung.
Bianca: Worin liegt denn der Unterschied zwischen Aggressivität und Provokation?
Andreas: Eine Provokation ist bewusst gesteuert. Manchmal testen Azubis die Grenzen des Ausbilders, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Bei einer Aggression hat man sich nicht so unter Kontrolle. Man ist dann einfach auf 180 und kann seine Emotionen nicht mehr so richtig kontrollieren.
Und was, wenn man provoziert wird?
Silke: Ja, und was macht man das Ausbilder, wenn man vom Azubi provoziert wird?
Andreas: Im Vorfeld sollte man gemeinsam Spielregeln festlegen, wie man miteinander umgeht. Und im Falle der Provokation sollte man ein Vieraugengespräch mit dem Azubi durchführen.
Bianca: Und, was soll so ein Vieraugengespräch bringen?
Andreas: Der Ausbilder versucht herauszufinden, worum es dem provokanten Azubi in Wirklichkeit geht. Denn, vielleicht gibt es hier Ursachen, warum der Azubi sich provokant verhalten hat.
Marcel: Und, was könnten das für Ursachen sein?
Andreas: Zum Beispiel Konflikte mit Kollegen. Vielleicht machen sich einige Kollegen lustig über den Azubi. Oder ihm fehlt die Anerkennung im Freundeskreis. Das macht unsicher. Oder vielleicht haben sich auch gerade die Eltern getrennt. Es gibt aber auch Fälle wo Azubis sehr viel Alkohol oder Drogen konsumieren und dann andere provozieren.
Sind Lernschwierigkeiten nicht Privatsache?
Silke: Aber, ist das nicht Privatsache des Azubis. Und geht den Ausbilder das überhaupt etwas an?
Marcel: Aber, ist der Azubi nicht dafür da, um im Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule zu lernen, um seinen Berufsabschluss zu erreichen. Und ist der Ausbilder nicht dafür da, um den Azubi beim Lernen zu unterstützen?
Andreas: Genau. Natürlich kann der Ausbilder besser unterstützen, wenn der Grund der Provokation des Azubis durch den Ausbilder oder das Unternehmen verursacht wurde. Dann könnte der Ausbilder reflektieren und sich sogar für sein Verhalten oder das seiner Kollegen entschuldigen.
Bianca: Na, das tun ja nur die wenigsten Ausbilder. Welchen Einfluss hat denn der Ausbilder überhaupt bei privaten Ursachen der Lernschwierigkeiten des Azubis?
Andreas: Er kann hier lediglich Empfehlungen aussprechen. Zum Beispiel eine Suchtberatung, eine Schuldnerberatung oder andere Unterstützungsangebote.
Was muss ich mir jetzt für die AEVO-Prüfung merken?
Silke: Was muss ich mir denn jetzt für die AEVO-Prüfung zum Thema Lernschwierigkeiten merken?
Andreas: Die meisten Fragen zum Thema Lernschwierigkeiten könnt ihr mit dem gesunden Menschenverstand beantworten. Meistens geht es darum, dass man den Azubi nicht vor der Gruppe blamiert und mit ihm ein Vieraugengespräch durchführt.
Marcel: Und in dem Vieraugengespräch, sollte man dann Ursachen für sein Verhalten herausbekommen?
Andreas: Ja, genau. Denn so kann der Ausbilder gemeinsam mit dem Azubi überlegen, wie man die eine oder andere Ursache beseitigen kann, sodass der Azubi sich wieder frei entfalten kann, um sich besser auf seine Ausbildung zu konzentrieren.
Bianca: Gibt es eigentlich auch erzieherische Maßnahmen, die der Ausbilder einleiten muss, wenn es um Lernschwierigkeiten geht?
Andreas: Ja, die gibt es auch. So sollte zum Beispiel der Azubi regelmäßig für seine guten Leistungen und sein Verhalten gelobt werden. Manchmal gibt es aber auch konstruktive Kritik, einen Tadel für Fehlverhalten oder eine pädagogische Strafe.
Was ist denn eine pädagogische Strafe?
Silke: Was ist denn eine pädagogische Strafe?
Andreas: Na, wenn zum Beispiel ein Azubi ständig die Arbeitsatmosphäre stört, um sich zu profilieren und andere Azubis und sogar Fachkräfte von der Arbeit abhält. Dann kann der Ausbilder festlegen, dass alle Azubis die ordnungsgemäß mitgearbeitet haben am Freitag früher Feierabend haben. Nur der Azubi, der ständig provoziert hat und auch gar nicht richtig mitmachen wollte, bleibt bis zum Ende der regulären Arbeitszeit.
Silke: Ist das nicht diskriminierend?
Andreas: Wenn der Azubi, wie in diesem Fall, das Betriebsklima bewusst gestört hat, und sich damit die Arbeiten verzögert haben, dann hat er rechtlich gesehen seine Pflicht aus dem Ausbildungsvertrag nicht eingehalten.
Marcel: Und was wäre das für eine Pflicht?
Andreas: Die Lernpflicht. Und außerdem hat der Ausbilder laut Vertrag und laut dem Berufsbildungsgesetz, die Pflicht seinen Auszubildenden charakterlich zu fördern. Das ist eine Erziehungspflicht. Und als erzieherische Maßnahmen, kann der Ausbilder Lob, konstruktive Kritik, einen Tadel oder eine pädagogische Strafe anwenden.
Bianca: Na dann wollen wir mal hoffen, dass in den meisten Ausbildungsbetrieben alles gut läuft. Zu mindestens wissen wir jetzt etwas mehr zum Thema Lernschwierigkeiten und worauf man in der AEVO-Prüfung achten muss.
Video: Wie reagiert man als Ausbilder auf Lernschwierigkeiten des Azubis?
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