Warum veranstalten Betriebe Einstellungstests?
Die Antwort liegt auf der Hand: Personalverantwortliche wollen möglichst zuverlässige Kompetenzprofile der Ausbildungsbewerber gewinnen, um die Ausbildungseignung der Kandidaten objektiv vergleichen zu können. Denn Fehlbesetzungen sind für ein Unternehmen teuer. Übrigens, neben den Großunternehmen setzen mittlerweile aber auch immer mehr kleine und mittelständische Betriebe auf standardisierte Auswahltests, um die Qualifikationen ihrer Bewerber einheitlich und fair zu überprüfen. Wer mit seinen Bewerbungsunterlagen überzeugt hat, darf im Eignungstest sein Wissen sowie seine ausbildungsrelevanten Fähigkeiten unter Beweis stellen. Unter dem Strich dienen also Einstellungstests dazu, das Risiko einer Fehlbesetzung zu minimieren, Stärken und Schwächen aufzudecken, eine bedarfsgerechte Personalentwicklung sicherzustellen und eine effektive Teamarbeit zu gewährleisten.
Um welche Arten von Einstellungstests geht es hier?
Schließlich gibt es eine sehr große Brandbreite von Einstellungstest, die im Rahmen der Auswahl von Berufseinsteigern eingesetzt werden. Am einfachsten lassen sie sich in drei Hauptkategorien einteilen:
Persönlichkeitstests
Hier muss eine Reihe von Fragen über die persönlichen Eigenschaften oder Verhaltensweisen beantworten werden. Dadurch will man sehen, inwieweit bestimmte Aussagen auf den Bewerber zutreffen. Typische Persönlichkeitstests für die Personalauswahl sind:
- 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test
- Bochumer Inventar (BIP)
- Hogan Test
- Insights Discovery
- Insights MDI Leadership check
- Leistungsmotivations-Inventar (LMI)
- Reiss Profile (RP)
- FAF2000-Fragebogen
- Inventar zur Persönlichkeitsdiagnostik (IPS)
- ISIS – Interaktives System (soziale Kompetenzen)
- Jobfidence
- pro facts Online Assessment
Die Wichtigkeit von Persönlichkeit bei der Personalauswahl wird in vielen Unternehmen als hoch eingestuft. Allerdings ist ein klarer Bezug zu den Anforderungen der Kandidaten herzustellen und soll den Menschen nicht als gut oder weniger gut darstellen, sondern die Passung auf eine Position prüfen. Überdies ist der Eingriff in die Persönlichkeit sehr tief und „Der gläserne Mensch“ tritt in den Vordergrund. Deswegen hat in größeren Betrieben auf jeden Fall der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden. Bei Personalfragebögen und der Aufstellung von Beurteilungsgrundsätzen besteht immerhin ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 94 BetrVG.
Wissenstests
Gemeint ist beispielsweise das Wissen aus den Bereichen Allgemeinbildung, Rechtschreibung und praktische Mathematik. Allerdings wird neben Allgemeinwissen oft auch Wissen zu speziellen Bereichen wie Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft abgefragt. Auch die Abfrage, was typische Aufgaben im angestrebten Wunschberuf sind, gehört dazu. Obendrein setzen Unternehmen gelegentlich auch Übungen wie „Diktat“ oder „Aufsatz schreiben“ ein.
Sieben Beispielhafte Wissens-Testfragen bei der Einstellung von Azubis
Beispiel 1: Mathematisches Denken – Dreisatz | 4 Pumpen fördern in 24 Stunden 4.800 Liter Wasser. Wie viel Liter Wasser fördern 7 Pumpen in 10 Stunden? (Lösung: 3500)
Beispiel 2: Logisches Denken: Wortanalogien | Ihnen werden drei Wörter vorgegeben. Zwischen dem ersten und dem zweiten Wort besteht eine ähnliche Beziehung wie zwischen dem dritten und dem vierten. Ihre Aufgabe ist es, das vierte Wort zu finden. Aquarium: Fisch = Dose: ? a) Bonbon, b) Tüte, c) Beutel, d) Blech, e) Milch. (Lösung: a – Bonbon)
Beispiel 3: Allgemeinwissen: Naturwissenschaften | Welcher Prozess regelt den Wasserhaushalt der Zellen? a) Zitronensäurezyklus, b) Metabolismus, c) Osmose, d) Photosynthese (Lösung: c – Osmose)
Beispiel 4: Sprachvermögen: Sätze ergänzen | Ergänzen Sie die folgenden Sätze jeweils um das fehlende Wort. Einige Fischarten können im Süßwasser, aber auch in Gewässern mit höherem ? leben. a) Temperaturgefälle, b) Säureanteil, c) Druck, d) Salzgehalt. (Lösung: d – Salzgehalt)
Beispiel 5: Allgemeinwissen: Politik | Wie viele alte und neue Bundesländer gibt es in Deutschland? a) 11 und 6, b) 10 und 6, c) 11 und 5, d) 12 und 5 (Lösung: c – 11 und 5)
Beispiel 6: Mathematisches Denken – Textaufgabe | Zwei Walker begegnen sich um 8 Uhr auf einer geraden Straße und setzen ihren Weg in entgegengesetzter Richtung fort. Wie viele Kilometer liegen um 9:45 Uhr zwischen den beiden, wenn der eine 6 km und der Andere 7,5 km pro Stunde läuft? (Lösung: 24,5)
Beispiel 7: Allgemeinwissen: Wirtschaft | Was passiert bei einer Baisse? a) die Aktienkurse sinken, b) die Zinsen sinken, c) das Bruttoinlandsprodukt steigt, d) die Aktienkurse steigen (Lösung: a – die Aktienkurse sinken)
Intelligenz- und Leistungstests
Wissenschaftlich betrachtet sagen sogenannte Intelligenz- und Leistungstests beruflichen Erfolg wesentlich besser voraus als Wissenstests. Daher enthalten sie häufig Aufgaben zu zahlen-, sprach- oder abstrakt-logischem Denken sowie zu Konzentration, Auffassungsgabe und Merkfähigkeit. Oft werden auch weitere spezielle Aufgaben gestellt, z. B. zum räumlichen Denkvermögen oder zum physikalisch-technischen Verständnis – je nachdem, welche Fähigkeiten für die Ausbildung besonders relevant sind. Gut gemachte Tests sind so aufgebaut, dass ein Bewerber auch bei mehrfacher Durchführung nicht wesentlich besser abschneidet.
Konzentrations-Leistungs-Test (KLT-R)
Heinrich Düker entwickelte dieses Verfahren zur Feststellung der allgemeinen psychischen Leistungsfähigkeit. Mit diesem Test wird die Konzentrationsfähigkeit im Sinne von Belastbarkeit, Ausdauer und Ermüdungsresistenz gemessen. Allerding hängen die Testergebnisse nur wenig von intellektuellen Voraussetzungen ab. Mittlerweile gibt es eine revidierte Fassung der KLT-R – Tests. Der KLT-R liegt in zwei unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen vor, welche aus je 9 Blöcken mit jeweils 20 Rechenaufgaben bestehen. Pro Aufgabenblock sind 2 Minuten Bearbeitungszeit vorgesehen. Der KLT-R – Test ist gut geeignet für die Auswahl von Auszubildenden und Berufsanfängern. Die Testaussagen beziehen sich auf den Grad der psychischen Aktivität, der Ausdauer, Konzentration, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit.
Pauli-Test
Dieser Konzentrations- und Aufmerksamkeitstest stammt von Richard Pauli. Dabei wird mit genormten Rechenbögen und unter Zeitdruck fortlaufend addiert. Kurzum, er eignet sich für die Berufsberatung, den Berufswechsel und bei Berufsanfängern. Die Testaussagen beziehen sich auf Leistungsdynamik, psychische Antriebskraft, Ausdauer, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Motivation, und Willenseinsatz.
Aufmerksamkeits-Belastungs-Test (d2)
Der d2 Test wurde vom Psychologieprofessor Rolf Brickenkamp im Jahr 1962 für die Eignungsauslese von Kraftfahrern entwickelt. Inzwischen liegen eine computerbasierte (d2-C) und eine revidierte Version (d2-R) des klassischen d2 Tests vor. Auf jeden Fall ist der d2 Test auf die Messung von Konzentration, Ausdauer und Aufmerksamkeit ausgelegt. Allerdings hat der d2-Test unterschiedliche Namen, wie zum Beispiel: pq-Test. nu-Test, dp-Test oder bp-Test. Das kommt daher, dass es wohl keine einheitliche Standardisierung gibt, bzw. dass viele kleinere und mittelständische Unternehmen den Test als Marke Eigenbau nach eigenen Vorstellungen selbst entwickeln. Unter dem Strich ist der d2 Test ein bekannter und gut geeigneter Test für die Berufsberatung und bei Berufsanfängern.
Intelligenz-Struktur-Test (I-S-T)
Erstmals erschien der Intelligenzstrukturtest (I-S-T) von Rudolf Amthauer, der unter der wissenschaftlichen Leitung von Kurt Wilde arbeitete. Mittlerweile wurde dieser Intelligenztest von Brocke, Beauducel und Liepmann zum mehrdimensionalen I-S-T 2000R weiterentwickelt. Infolgedessen ist der I-S-T 2000 R ist ein seriöser IQ Test, welcher die allgemeine Intelligenz einer Person ermitteln soll. Je nachdem wird er von Psychologen im klinischen Bereich eingesetzt, aber auch zur Berufseignungsdiagnostik herangezogen. Inhaltlich geht es um die Beantwortung von schriftlichen Fragen, Satzergänzungen, Bildung von Analogien und Zahlenreihen, Erkennen von Gemeinsamkeiten, Merkaufgaben und Auswahl von Figuren. Somit ist dieser Test gut im Rahmen der Einstellung von Ausbildungsplatzbewerbern geeignet.
Vorbereitung und Durchführung von Einstellungstests
Auf jeden Fall werden die Bewerber im Vorfeld (z.B. schriftlich) über die Anwendung und Durchführung eines Einstellungstestes informiert. Dementsprechend sollte das Unternehmen umfassend über den Inhalt der angewendeten Testverfahren aufklären. Im Vorfeld erhalten die Bewerber ein Merkblatt der rechtsverbindlichen Hinweise und eine Einverständniserklärung, die vom einzelnen Testteilnehmer unterschrieben werden muss.
Anschließend erfolgt eine Einladung zu einem Einstellungstest. Zum Beispiel im Rahmen eines Assessment-Centers, den Zugang zu einer Online-Plattform im Internet oder eines Gruppentermins in den Räumen des Unternehmens. Zuletzt bescheinigt am Ende eine Auswertung, ob man den Test bestanden hat. Schließlich erhält die Testperson eine ausführliche Auswertung mit Lösungen und Gewichtungen. Übrigens, bei manchen Testverfahren kommt es zu einem mündlichen Auswertungsgespräch zwischen dem Psychologen und der Testperson.
Wie aussagekräftig sind die Ergebnisse im Einstellungstest?
„Weiche“ Faktoren, wie zum Beispiel die Sozialkompetenz und die emotionale Intelligenz, können im Bewerbungsgespräch oder im Assessment Center wesentlich besser beurteilt werden als beim standardisierten Einstellungstest.
Demgegenüber sind Aussagen zur Konzentrationsfähigkeit, zum Allgemeinwissen, zu Logik, räumlicher Vorstellung, Rechtschreibung und Kenntnisse in Wirtschaft und Naturwissenschaften durch einen Einstellungstest pragmatisch prüfbar. Obendrein bekommen es Ausbildungsbewerber in der schriftlichen Auswahlprüfung trotzdem mit fragwürdigen Charaktertests zu tun. Genau hier spalten sich die Geister der Personalverantwortlichen. Während die einen die Persönlichkeitsstruktur von zukünftigen Mitarbeitern für die Teamzusammensetzung wichtig finden, plädieren die anderen dafür, dass für die reine Leistungserbringung kein Eingriff in die Persönlichkeit der Mitarbeiter erforderlich ist. Auf jeden Fall erleichtern Testergebnisse den Abgleich mit einem Anforderungsprofil und zudem wird der Versuch unternommen, die Persönlichkeit in Zahlenwerten greifbar zu machen.
Unter dem Strich ist jeder Test nur eine Momentaufnahme. Was, wenn der Bewerber ausgerechnet am Testtag einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden ist? Schließlich nimmt ein Eignungstest auf solche individuellen Einflüsse keine Rücksicht. Für Ausbildungsplatzbewerber heißt das: Wer einen schlechten Tag erwischt hat und im Einstellungstest unter seinen Möglichkeiten abschneidet, sollte seinen Ausbildungswunsch nicht gleich aufgeben – ein zweiter Versuch kann sich lohnen.
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